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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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tägliche Pendeln zum Albtraum machen können, lassen sich mit Straßenmauten leider nicht bewältigen. Manche dieser Probleme – Unfälle, Bauarbeiten, Einfahrten, Ausfahrten – sind offenkundig und rasch erkennbar, andere, etwa leichte Straßenschäden, sanfte Kurven und Neigungen, Senken oder ein dahinkriechender Schwertransport, der nicht überholt werden darf, subtiler. Nach Auffassung einiger Wissenschaftler kommt es manchmal sogar völlig grundlos zu Verkehrsstaus. Wenn man zu sehr über den Verkehr grübelt, kann es einem fast wie ein Wunder scheinen, dass man überhaupt in heimatlichen Gefilden anlangt.
    Die Autos auf einer dicht befahrenen Autobahn sind mit Fußgängern auf dem Bürgersteig oder einem Vogelschwarm vergleichbar, ihre Fahrer dezentral handelnde Individuen, die (im Allgemeinen) einfache Grundregeln beherzigen – nicht beim Vordermann auffahren, wann möglich die Fahrbahn wechseln, so schnell fahren, wie es die Fahrsicherheit erlaubt – und dabei ihre Handlungen zu koordinieren suchen. Jeder einzelne Fahrer möchte im Verkehr schneller vorankommen als die anderen; er möchte aber auch, dass der Verkehr insgesamt möglichst zügig fließt. Wir haben bereits gesehen, wie andere Menschen in anderen Situationen sich unter ähnlichen Umständen recht erfolgreich koordinieren. Die Entscheidungen der dezentral agierenden Fahrer auf verkehrsreichen Schnellstraßen aber führen allzu häufig zu einem unschönen Chaos. Was läuft da falsch?
    Die Grundgegebenheiten des Verkehrs sind recht simpel. Wenn nicht zu viele Wagen die Straße »bevölkern«, können sie ungehindert die Fahrbahnen wechseln, beschleunigen oder verlangsamen, ohne Probleme zu verursachen. Da kann jeder sicheren Abstand zu seinen Nachbarn halten und trotzdem so schnell fahren, wie er eben möchte. Für diese Situation hat die Wissenschaft den Begriff »freier (Verkehrs)fluss« geprägt. Wenn nun aber nach und nach immer mehr Wagen auf die Schnellstraße einbiegen – oder Autos ihr Tempo drosseln, um die Schnellstraße zu verlassen -, muss jeder bremsen, um den gleichen Abstand zu halten. Und wenn einer aufs Bremspedal tritt, tun es ihm die Nachfahrenden gleich – somit bildet sich eine Bremswelle, die die ganze Fahrzeugschlange durchläuft. Auf Fahrbahnen mit schnellerem Verkehr bewegt die Bremswelle sich schneller: Dort müssen die Fahrer ja rascher reagieren, um den Abstand zu halten. Folglich verlangsamt sich der Verkehr auf der schnelleren Spur schneller (so unsinnig das klingen mag). Und weil Autofahrer im Bemühen, zügig vorwärts zu kommen, die Fahrbahn wechseln, gleichen die unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf den Fahrbahnen sich aus, wenn alle verfügbaren Lücken gefüllt sind. Auf die Weise geraten die Fahrer aus einem freien Fluss in ein unstetes Fahrtmuster, in dem alle ein untereinander ähnliches, aber langsameres Tempo als vorher haben. Von diesem Zeitpunkt an genügt schon ein Mucks, um die ganze Autohorde in das berüchtigte Stocken und Stottern eines Staus zu versetzen. Und Verkehrsstaus sind brutal: Steckt man einmal drin, kommt man schwer wieder heraus. Denn die Wagen, die am Anfang des Staus die Schnellstraße verlassen, bewegen sich dabei langsamer als die Fahrzeuge, die am Ende neu hinzukommen. Das ist, wie inzwischen nachgewiesen wurde, auch der Grund, warum ein Stau, den wir auf dem Fernsehschirm beobachten, sich rückwärts bewegt. Es ist auch die Ursache dafür, dass Staus sich so leicht nicht auflösen. Kai Nagel, ein Pionier der Verkehrsforschung, hat es so formuliert: »Verkehrsstaus sind ziemlich dauerhaft, wenn sie sich einmal gebildet haben, und können sich mehrere Stunden ohne größere Formveränderungen im gleichen Tempo gegen den Verkehrsfluss bewegen.«
    Wie aber kommt es überhaupt zu Verkehrsstaus? Das ist eine Frage, über die seit langem zwischen zwei Lagern heftig diskutiert wird. Auf der einen Seite stehen, grob gesprochen, die Physiker; sie sehen in der Bewegung von Autos auf einer Schnellstraße ein im Wesentlichen ähnliches Phänomen wie beim Wasser eines Flusses oder beim Auslaufen von Sandkörnern in einem Glasröhrchen. Wir wissen, dass Sandkörner plötzlich eine Verstopfung bilden können und dann nicht mehr reibungslos abfließen. Gleiches zeigt sich bei Computersimulationen eines Verkehrsflusses; die Physiker sprechen dann von einem »spontanen Stau«, der ihrer Meinung nach auch in realen Verkehrssituationen wahrscheinlich ist. Auf der anderen Seite der Debatte stehen

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