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Die Weisheit des Feuers

Die Weisheit des Feuers

Titel: Die Weisheit des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Paolini
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gar nicht gab. Einmal durchflutete goldenes Licht meine Zelle und mir wurde ganz warm. Als ich aufschaute, stellte ich fest, dass ich hoch oben in einem Baum auf einem Ast saß, in der Nähe des Zentrums von Ellesméra. Es war kurz vor Sonnenuntergang und die ganze Stadt leuchtete, als stünde sie in Flammen. Die Äthalvard sangen auf dem Weg unter mir, und alles war so ruhig und friedlich und so schön, dass ich am liebsten für immer dort geblieben wäre. Aber dann schwand das Licht und ich lag wieder auf meiner Pritsche … Das hatte ich völlig vergessen... aber da war einmal ein Soldat, der ließ eine weiße Rose in meiner Zelle liegen. Das war das einzige Mal, dass irgendjemand in Gil’ead nett zu mir war. In dieser Nacht schlug die Rose Wurzeln und wurde zu einem riesigen Rosenstock, der an der Wand hinaufkletterte, sich einen Weg durch die Steinblöcke an der Decke sprengte und sich aus dem Kerker hinaus ins Freie kämpfte. Dann wuchs er weiter, bis er an den Mond stieß und als großer gewundener Turm dastand, der eine Fluchtmöglichkeit versprach, wenn ich nur hätte aufstehen können. Ich versuchte es mit jedem bisschen Kraft, das ich noch hatte, aber es gelang mir nicht, und als ich wegschaute, verschwand der Rosenbusch... Das war mein Geisteszustand, als du von mir geträumt hast und ich deine Gegenwart über mir schwebend spürte. Kein Wunder, dass ich das Gefühl nur für eine weitere Täuschung hielt.«
    Sie lächelte matt. »Und dann kamst du, Eragon. Du und Saphira. Nachdem mich schon alle Hoffnung verlassen hatte und ich kurz davor stand, zu Galbatorix nach Urû’baen gebracht zu werden, kam ein Drachenreiter, um mich zu retten. Ein Reiter und ein Drache!«
    »Und Morzans Sohn«, sagte er. »Morzans 
beide
 Söhne.«
    »Nenn es, wie du willst. Es war eine so unwahrscheinliche Rettung, dass ich gelegentlich denke, ich bin verrückt geworden und bilde mir seitdem alles nur ein.«
    Sie tupfte sich mit dem linken Ärmel die Augen trocken. »Als ich in Farthen Dûr aufgewacht bin, gab es viel zu viel für mich zu tun, um mich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Aber die jüngsten Ereignisse waren so finster und blutig, dass ich mich zunehmend dabei ertappe, wie ich mich an Dinge erinnere, über die ich besser nicht mehr nachdenken sollte. Sie machen mich wütend und bringen mich durcheinander und ich habe keine Geduld mehr für die alltäglichen Herausforderungen des Lebens.« Sie kniete sich hin und legte die Hände rechts und links neben sich auf den Boden, um sich zu beruhigen. »Du sagst, ich wandle allein. Die Elfen neigen nicht dazu, Freundschaften so offen zu zeigen wie Menschen und Zwerge, und ich war immer schon ein Einzelgänger. Aber wenn du mich vor Gil’ead gekannt hättest, so wie ich früher war, würdest du mich nicht für distanziert und verschlossen halten. Damals konnte ich singen und tanzen und hatte nicht ständig das Gefühl, etwas Verhängnisvolles stünde bevor.«
    Eragon legte die rechte Hand auf ihre linke. »In den alten Heldengeschichten wird nie erwähnt, dass das der Preis ist, wenn man mit den Ungeheuern der Finsternis und den Abgründen des Geistes ringt. Denk einfach weiter an die Gärten der Tialdarí-Halle, dann geht es dir bestimmt wieder gut.«
    Arya ließ die Berührung fast eine Minute lang zu, während der Eragon keine wilde Leidenschaft empfand, sondern einfach nur tiefe Zuneigung. Er machte keinen Versuch, sie zu bedrängen, denn ihr Vertrauen war ihm wichtiger als alles andere auf der Welt, mit Ausnahme seiner Verbindung zu Saphira, und er wäre lieber in die Schlacht gezogen, als es aufs Spiel zu setzen. Dann hob Arya die Hand ein wenig an und er zog seine ohne Murren zurück.
    In dem sehnlichen Wunsch, sie ein wenig aufzuheitern, sah Eragon auf den Boden neben sich und murmelte dann so leise, dass es fast nicht zu hören war: 
»Loivissa.«
 Von der Kraft des wahren Namens geleitet, durchkämmte er die Erde um seine Füße herum, bis sich seine Finger um das schlossen, was er suchte: eine dünne papierartige Scheibe, halb so groß wie der Nagel seines kleinen Fingers. Mit angehaltenem Atem legte er sie sich, so behutsam er konnte, in die rechte Handfläche genau auf die Gedwëy Ignasia. Dann rief er sich, um ja keinen Fehler zu machen, noch einmal ins Gedächtnis, was Oromis ihm über die Beschwörung beigebracht hatte, die er gleich sprechen wollte, und fing nach Elfenart weich und fließend zu singen an:
    Eldhrimner O Loivissa nuanen, Dautr abr

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