Die Weisheit des Feuers
hältst?«
»Nein, natürlich nicht«, protestierte er. »Das habe ich nicht gemeint.«
»Dann sag, was du meinst, und werde nur beleidigend, wenn es auch deine Absicht ist.«
Eragon wählte seine Worte jetzt mit mehr Bedacht. »Ich habe Roran dieselbe Frage gestellt, bevor wir den Helgrind angegriffen haben, oder eine ganz ähnliche. Was ich wissen möchte, ist: Wie fühlst du dich, wenn du tötest? Was sollte man fühlen?« Er starrte finster ins Feuer. »Siehst du die Krieger, die du überwältigt hast, wie sie dich anstarren, so wirklich, wie ich jetzt vor dir sitze?«
Arya zog die Arme fester um die Knie, ihr Blick nachdenklich. Eine Flamme loderte empor, als einer der Nachtfalter, die das Lager umschwirrten, verbrannte.
»Gánga«,
murmelte sie und zeigte mit dem Finger in die Dunkelheit. Flaumweiche Flügel flatterten auf und die restlichen Falter flogen davon. Ohne den Blick von dem Haufen brennender Zweige zu wenden, begann sie: »Neun Monate, nachdem ich Botschafterin wurde, übrigens die einzige Botschafterin meiner Mutter, um die Wahrheit zu sagen, reiste ich von den Varden in Farthen Dûr zur Hauptstadt von Surda, was damals noch ein neues Land war. Bald nachdem meine Begleiter und ich das Beor-Gebirge verlassen hatten, trafen wir auf eine Bande umherstreifender Urgals. Wir waren bereit, die Schwerter stecken zu lassen und unseren Weg fortzusetzen. Aber wie es ihre Art ist, bestanden die Urgals darauf, Ruhm und Ehre zu erwerben, um ihr Ansehen bei ihren Stämmen zu verbessern. Unsere Truppe war stärker als ihre - denn Weldon, Broms Nachfolger als Anführer der Varden, war bei uns -, und es fiel uns nicht schwer, sie in die Flucht zu schlagen... An diesem Tag habe ich zum ersten Mal ein Leben ausgelöscht. Das hat mich noch wochenlang verfolgt, bis mir klar wurde, dass ich verrückt werden würde, wenn ich immer weiter darüber nachdächte. Das passiert vielen, und sie werden darüber so verbittert, dass kein Verlass mehr auf sie ist oder ihr Herz versteinert und sie die Fähigkeit verlieren, richtig und falsch voneinander zu unterscheiden.«
»Wie bist du damit fertig geworden?«
»Ich habe mich gefragt, warum ich töte, und festgestellt, dass meine Motive ehrenwert sind. Dann fragte ich mich, ob unsere Sache so wichtig ist, dass ich sie weiter unterstützen will, auch wenn das voraussichtlich von mir verlangen würde, wieder zu töten. Schließlich beschloss ich, mir immer, wenn ich an die Toten denken musste, vorzustellen, ich säße im Garten der Tialdarí-Halle.«
»Hat es funktioniert?«
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und steckte sie hinter eins ihrer runden Ohren. »Ja. Das einzige Mittel gegen das zersetzende Gift der Gewalt ist, Frieden in sich selbst zu suchen. Es ist nicht leicht, sich dieses Heilmittel zu verschaffen, aber es lohnt sich.« Sie hielt inne und fügte dann hinzu: »Atmen hilft auch.«
»Atmen?«
»Langsames, gleichmäßiges Atmen, als würdest du meditieren. Das ist eine der wirksamsten Methoden, um sich zu beruhigen.«
Eragon befolgte ihren Rat und begann, ganz bewusst ein- und auszuatmen. Dabei achtete er darauf, das Tempo nicht zu verändern und jedes Mal vollständig auszuatmen. Nach einer Minute löste sich der Knoten in seinem Magen, sein finsterer Blick entspannte sich und die Gegenwart seines gefallenen Gegners war nicht mehr so übermächtig... Die Wölfe heulten erneut, aber nach einem kurzen Anflug von Beklommenheit hörte er ihnen ohne Angst zu, denn ihr Gebell machte ihn nicht mehr nervös. »Danke«, sagte er.
Arya antwortete mit einem anmutigen Neigen des Kinns.
Eine Viertelstunde lang herrschte Schweigen, bis Eragon schließlich sagte: »Urgals.« Er ließ die Äußerung eine Weile im Raum stehen, ein verbaler Monolith der Ambivalenz. »Was hältst du davon, dass Nasuada ihnen erlaubt, sich den Varden anzuschließen?«
Arya hob einen Zweig am Rand ihres ausgebreiteten Rockes auf, rollte ihn zwischen den Fingern hin und her und betrachtete das krumme Stück Holz, als berge es ein Geheimnis. »Das war eine mutige Entscheidung und ich bewundere sie dafür. Sie handelt immer zum Besten der Varden, ganz gleich was es sie kostet.«
»Sie hat viele Varden verärgert, als sie Nar Garzhvogs Angebot angenommen hat.«
»Und mit der Probe der Langen Messer hat sie ihre Loyalität zurückgewonnen. Nasuada ist sehr klug, wenn es darum geht, ihre Position zu behaupten.« Arya schnippte den Zweig ins Feuer. »Ich hege keine Sympathien für
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