Die Weisheit des Feuers
einem gewaltigen Feuerstrahl einen ganzen Wald gerodet hätte oder einfach so lange geflogen wäre, bis die Flügel ihr den Dienst verweigerten.
Grollend legte sie den Kopf auf die Vorderbeine und schloss die inneren Augenlider, damit sie ruhen und dennoch alle beobachten konnte, die an ihr vorbeigingen. Über ihrem Kopf summte eine Libelle - eine Drachenfliege. Saphira fragte sich nicht zum ersten Mal, was einen hirnlosen Zweibeiner dazu inspiriert haben könnte, dieses Insekt ausgerechnet nach ihrer Spezies zu benennen.
Es sieht kein bisschen aus wie ein Drache,
brummte sie gereizt und döste ein.
Das
Feuer-rund-und-groß-am-Himmel
stand dicht über dem Horizont, als Saphira die Rufe und Willkommensgrüße hörte, die bedeuteten, dass Roran und seine Krieger das Lager erreicht hatten. Sie erhob sich. Wie stets sprach Bloëdhgarm halb singend, halb flüsternd den Zauber, mit dem der Elf ein körperloses Abbild von Eragon erschuf, das aus dem Zelt trat und auf Saphiras Rücken kletterte. Dort sah es sich um. Der Doppelgänger glich Eragon aufs Haar, aber er besaß keinen Verstand. Sollte einer von Galbatorix’ Spionen versuchen, Eragons Gedanken zu belauschen, würde er die Täuschung sofort bemerken. Deshalb hing der Erfolg dieser List vor allem davon ab, dass Saphira den Doppelgänger möglichst rasch durch das Lager und außer Sicht brachte. Sie hofften allerdings auch, dass Eragons Ruf furchteinflößend genug war, um heimliche Beobachter davon abzuhalten, auf der Suche nach Informationen über die Varden in seinen Geist einzudringen.
Springend durchquerte Saphira das Lager, während die zwölf Elfen in lockerer Formation neben ihr herliefen. Die Varden-Krieger machten ihnen hastig Platz. »Seid gegrüßt, Schattentöter!«, riefen sie und »Seid gegrüßt, Saphira!«, was eine wohlige Wärme in ihrem Bauch entfachte.
Als sie Nasuadas
Kokon-roter-Schmetterling
erreichte, duckte sie sich und schob den Kopf durch die dunkle Öffnung in der Zeltwand, wo die Wachen für sie ein Stück der Plane beiseitegeschoben hatten. Bloëdhgarm nahm seinen leisen magischen Gesang wieder auf, worauf der Eragon-Doppelgänger von Saphira abstieg, das Zelt betrat und sich auflöste, sobald er den Blicken möglicher Schaulustiger entschwunden war.
»Glaubt Ihr, unser Trick wurde durchschaut?«, fragte Nasuada, die auf dem hochlehnigen Stuhl saß.
Der Wolfkatzenelf verbeugte sich galant. »Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen, Nasuada. Wir müssen abwarten, ob das Imperium versucht, Eragons Abwesenheit zu seinem Vorteil zu nutzen. Erst dann kennen wir die Antwort.«
»Danke, Bloëdhgarm. Das ist alles.«
Mit einer weiteren Verbeugung verließ der Elf das Zelt und postierte sich draußen ein Stück hinter Saphira.
Saphira legte sich auf den Bauch und leckte sich die schlammverkrusteten Schuppen zwischen den Krallen sauber. Sie erinnerte sich jetzt, bis zu den Knöcheln im Matsch gestanden zu haben, als sie ihre letzte Beute gleich am Flussufer verschlungen hatte.
Keine Minute später traten Martland Rotbart, Roran und ein ihr unbekannter Mann ins Zelt und verbeugten sich vor Nasuada. Saphira hörte auf, sich zu putzen, und schmeckte mit der Zunge die Luft. Sie witterte den scharfen Gestank getrockneten Blutes, bittersüßen Schweiß, den Geruchsmix aus Pferd und Leder, sowie schwach, aber unverkennbar das scharfe Aroma von
Menschen-Angst
. Sie betrachtete das Trio erneut und bemerkte jetzt, dass dem
Mann-mit-rotem-Bart
die rechte Hand fehlte. Dann widmete sie sich wieder ihren schmutzigen Klauen.
Sie leckte sich die Tatze, bis alle Schuppen makellos schimmerten, während zunächst Martland, dann
Mann-mit-runden-Ohren-Ulhart
und schließlich Roran eine Geschichte von Blut und Feuer und lachenden Männern erzählten, die einfach nicht sterben wollten, sondern weiterfochten, lange nachdem Angvard sie zu sich befohlen hatte. Wie gewohnt blieb Saphira stumm, während vor allem Nasuada und ihr Berater,
Mann-mit-hagerem-Gesicht-Jörmundur,
die Krieger nach Einzelheiten ihrer unseligen Mission befragten. Wie Saphira wusste, wunderte sich Eragon manchmal darüber, dass sie sich nicht intensiver an diesen Gesprächen beteiligte. Der Grund für ihr Schweigen war recht einfach. Es genügte ihr eben vollkommen, nur mit Eragon und vielleicht noch mit Arya oder Glaedr zu reden. In ihren Augen waren die meisten Gespräche sowieso nur überflüssiges Geschwätz. Ob
Rund-Ohr, Spitz-Ohr,
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