Die Weisheit des Feuers
zum Beispiel mit Kvîstor? Lebt seine Familie in Tronjheim? Hat jemand seine Angehörigen benachrichtigt? Wenn nicht, möchte ich ihnen die Nachricht überbringen, denn er hat sein Leben gegeben, um mich zu verteidigen.«
Orik befragte die Wachen und erfuhr, dass Kvîstor tatsächlich Familienangehörige in, oder besser gesagt, unter Tronjheim hatte. Als er das hörte, runzelte Orik die Stirn und murmelte ein Wort in der Sprache der Zwerge. »Es sind Tiefschürfer«, erklärte er. »Knurlan, die die Welt des Lichts für ein Leben in der Tiefe aufgegeben haben und nur sehr selten nach oben gehen. Hier unter Tronjheim leben mehr von ihnen als irgendwo sonst, weil sie im Farthen Dûr nach oben kommen können, ohne wirklich das Gefühl zu haben, im Freien zu sein. Das ertragen die meisten nicht, weil sie so daran gewöhnt sind, von allen Seiten von Stein umgeben zu sein. Ich wusste nicht, dass Kvîstor zu ihnen gehörte.«
»Hast du etwas dagegen, dass ich seine Familie aufsuche?«, fragte Eragon. »Von diesen Räumen führt eine Treppe in die Tiefe, nicht wahr? Ich könnte sie benutzen, ohne dass jemand davon erfährt.«
Orik dachte einen Moment nach und nickte dann. »Du hast recht. Der Weg ist sicher und keiner würde bei den Tiefschürfern nach dir suchen. Sie würden zuerst hierherkommen, wo du sonst ja auch wärst. Geh, und komm erst zurück, wenn ich dich benachrichtigt habe. Selbst wenn die Familie von Mord dich abweist und du bis morgen früh auf einem Stalagmiten hocken musst. Aber sei vorsichtig, Eragon. Die Tiefschürfer bleiben meistens unter sich und haben ein extrem empfindliches Ehrgefühl. Außerdem pflegen sie merkwürdige Sitten. Also setze deine Schritte mit Umsicht, als würdest du dich über porösen Schiefer bewegen.«
Und so steckte sich Eragon ein kurzes Zwergenschwert in den Gürtel und ging in Begleitung seiner Wache und des Dolmetschers Hûndfast zur nächsten Treppe, um tiefer als jemals zuvor in die Eingeweide der Erde hinabzusteigen. Bald darauf fand er Glûmra und berichtete ihr von Kvîstors Tod. Jetzt saß er da und hörte ihr zu, wie sie um ihr ermordetes Kind trauerte und dabei ein unheimliches, misstönendes Zwergenlied sang, das immer wieder von Schluchzern unterbrochen wurde.
Die Tiefe ihrer Trauer machte Eragon verlegen. Er wandte den Blick von ihrem Gesicht ab und betrachtete lieber einen grünen Stuhl aus Speckstein, der an einer Wand stand und mit abgegriffenen Ornamenten geschmückt war, oder den grünbraunen Teppich vor dem Ofen, das Butterfass in der Ecke und die Vorräte, die von den Deckenbalken hingen. Schließlich musterte er den Webstuhl aus schwerem Holz, der unter einem runden Fenster mit lavendelfarbenen Scheiben stand.
Als Glûmras Wehklagen seinen Höhepunkt erreicht hatte, stand sie auf, ging zur Arbeitsplatte und legte ihre Hand auf das Schneidebrett. Ihre Blicke trafen sich. Bevor er sie daran hindern konnte, nahm sie ein Küchenmesser und schnitt sich das erste Glied des kleinen Fingers ab. Sie stöhnte auf und sank zu Boden.
Eragon stieß unwillkürlich einen Schrei aus und sprang auf. Er fragte sich, welcher Wahnsinn über die Zwergenfrau gekommen war und ob er sie zurückhalten sollte, damit sie sich nicht noch mehr Verletzungen zufügen konnte. Er wollte ihr schon anbieten, die Verletzung mit Magie zu heilen, als ihm Oriks mahnende Worte über die seltsamen Sitten und den strengen Ehrenkodex der Tiefschürfer einfielen.
Sie könnte es als eine Beleidigung auffassen,
sagte er sich. Also schloss er den Mund wieder und sank auf den viel zu kleinen Stuhl zurück.
Nach einer Minute richtete sich Glûmra auf, holte tief Luft, reinigte dann ruhig das Ende ihres verletzten Fingers mit Branntwein, schmierte eine gelbe Salbe darauf und bandagierte die Wunde. Ihr Mondgesicht war immer noch blass von dem Schock, als sie sich auf den Stuhl gegenüber von Eragon setzte. »Ich danke dir, Schattentöter, dass du mir die Nachricht vom Schicksal meines Sohnes selbst überbracht hast. Es macht mich froh, dass er einen Ehrentod gestorben ist, wie es einem Krieger geziemt.«
»Er war sehr tapfer«, erwiderte Eragon. »Er sah, dass unsere Widersacher so schnell wie Elfen waren, und hat sich trotzdem vor mich geworfen, um mich zu beschützen. Sein Opfer hat mir genug Zeit verschafft, ihren Dolchen zu entkommen, und mir außerdem die tödlichen Zauber offenbart, mit denen ihre Waffen belegt waren. Ohne ihn wäre ich jetzt wohl kaum hier.«
Glûmra nickte langsam mit
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