Die Weisheit des Feuers
Peitschenhiebe aushalten sollte. Dann dachte er an Katrina und ihr ungeborenes Kind und der Gedanke gab ihm neue Kraft.
Als Roran zu sich kam, lag er in dem Zelt, das er und Katrina teilten. Katrina kniete neben seinem Lager, strich ihm übers Haar und murmelte ihm etwas ins Ohr, während ihm jemand eine kalte, klebrige Substanz auf die Striemen am Rücken schmierte. Er zuckte zusammen und verkrampfte sich, als die Hände eine besonders empfindliche Stelle berührten.
»So würde
ich
niemals einen Patienten behandeln«, hörte er Trianna in überheblichem Tonfall sagen.
»Wenn du alle deine Patienten so behandelst wie Roran«, erwiderte eine zweite Frauenstimme, »überrascht es mich, dass auch nur einer von ihnen überlebt hat.« Nach einem Moment erkannte Roran die Stimme der merkwürdigen Kräuterhexe Angela mit den funkelnden Augen.
»Wie bitte?«, rief Trianna aus. »Ich lasse mich doch nicht von einer dahergelaufenen
Wahrsagerin
beleidigen, die Schwierigkeiten hat, selbst den simpelsten Zauber zu wirken.«
»Dann geh doch. Ansonsten werde ich so lange fortfahren, dich zu beleidigen, bis du zugibst, dass der Rückenmuskel
hier
endet und nicht
da
.« Roran spürte, wie ihn ein Finger an zwei unterschiedlichen Stellen, nicht weit voneinander entfernt, berührte.
»Eine Frechheit!«, schimpfte Trianna und stürmte aus dem Zelt. Katrina lächelte Roran an, und da bemerkte er, dass ihr Gesicht tränenüberströmt war. »Roran, verstehst du mich?«, fragte sie. »Bist du wach?«
»Ich... ich denke, ja«, sagte er mit heiserer Stimme. Die Kiefermuskeln taten ihm weh, weil er so lange mit aller Kraft auf das Holzstück gebissen hatte. Er hustete, dann verzog er das Gesicht, als alle fünfzig Striemen auf seinem Rücken gleichzeitig zu pochen begannen.
»So, das war’s«, sagte Angela. »Ich bin fertig.«
»Vielen Dank. Ich hätte nicht erwartet, dass du und Trianna, dass ihr so viel für ihn tut«, sagte Katrina.
»So lautete Nasuadas Befehl.«
»Nasuada? Ich dachte...«
»Da musst du sie schon selbst fragen. Sag deinem Mann, er soll möglichst nicht auf dem Rücken liegen. Und er soll ruckartige Bewegungen vermeiden, sonst könnte der Wundschorf aufreißen.«
»Danke«, murmelte Roran.
Hinter ihm lachte Angela. »Nicht der Rede wert, Roran. Oder doch, es ist der Rede wert, aber miss der Sache nicht zu viel Bedeutung bei. Ferner finde ich es lustig, sowohl deinen als auch Eragons Rücken behandelt zu haben. So, ich bin weg. Hüte dich vor Frettchen!«
Als die Kräuterhexe gegangen war, schloss Roran wieder die Augen. Katrinas sanfte Finger strichen ihm über die Stirn. »Du warst sehr tapfer, Liebster.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Jörmundur und die anderen, mit denen ich gesprochen habe, sagten, du hättest nicht ein einziges Mal geschrien und auch nicht um Gnade gefleht.«
»Gut.« Er hätte gerne gewusst, wie ernst die Verletzungen an seinem Rücken waren, aber er wollte Katrina nicht dazu zwingen, sie zu beschreiben.
Sie schien jedoch zu ahnen, was ihm auf dem Herzen lag, denn sie sagte: »Angela glaubt, dass du mit ein bisschen Glück keine allzu schlimmen Narben zurückbehalten wirst. Und selbst wenn, kann Eragon oder ein Magier die Narben entfernen, sobald alles verheilt ist. Dein Rücken wird aussehen, als hätte es die Peitschenhiebe nie gegeben.«
»Hm.«
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte sie. »Ich habe Schafgarbentee aufgebrüht.«
»Ja, bitte.«
Als Katrina aufstand, hörte Roran, wie jemand ins Zelt trat. Er öffnete ein Auge und sah zu seiner Überraschung Nasuada neben dem Pfosten am Eingang stehen.
»Herrin«, sagte Katrina mit rasiermesserscharfer Stimme.
Trotz der brennenden Schmerzen am Rücken stemmte Roran sich halb auf und setzte sich mit Katrinas Hilfe auf die Bettkante. Auf die Schulter seiner Gemahlin gestützt, versuchte er aufzustehen, doch Nasuada hob abwehrend die Hand. »Bleib sitzen. Ich will dir nicht noch mehr Qualen bereiten, als ich es schon getan habe.«
»Warum seid Ihr gekommen, Nasuada?«, fragte Katrina. »Roran braucht Ruhe und sollte seine Kraft nicht für unnötige Gespräche vergeuden.«
Roran legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ist schon gut. Ich kann sprechen, wenn es sein muss.«
Nasuada trat ins Zelt, hob den Saum ihres grünen Kleides und setzte sich auf die kleine Truhe mit Habseligkeiten, die Katrina aus Carvahall mitgebracht hatte. Nachdem sie ihr Kleid glatt gestrichen hatte, sagte sie: »Ich habe eine neue Mission
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