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Die Weisheit des Feuers

Die Weisheit des Feuers

Titel: Die Weisheit des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Paolini
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Verbrecher!«
    »Es spielt keine Rolle, ob es unrecht ist oder nicht«, sagte er. »Es muss sein. An Nasuadas Stelle hätte ich genauso gehandelt.«
    Katrina schauderte. »Aber fünfzig Peitschenhiebe... Warum so viele? Es gibt Männer, die dabei gestorben sind.«
    »Nur wenn sie ein schwaches Herz hatten. Sorge dich nicht. Es braucht schon mehr, um mich zu töten.«
    Ein gezwungenes Lächeln huschte über Katrinas Lippen, dann begann sie zu schluchzen und presste das Gesicht an seine Brust. Er nahm sie in die Arme, strich ihr übers Haar und versuchte nach Kräften, sie zu beruhigen, obwohl es ihm nicht besser ging als ihr. Nach einigen Minuten ertönte draußen ein Horn, und Roran wusste, dass es Zeit für sie war, sich voneinander zu verabschieden. Er befreite sich sanft aus ihrer Umarmung und sagte: »Es gibt etwas, was du für mich tun kannst.«
    »Was denn?«
    »Geh in unser Zelt und bleib dort, bis meine Bestrafung vorüber ist.«
    Die Bitte schien Katrina zu empören. »Nein, ich werde dich nicht allein lassen... nicht jetzt.«
    »Bitte«, sagte er. »Du solltest das nicht mit ansehen müssen.«
    »Und du solltest es nicht erleiden müssen«, gab sie zurück.
    »Lass das. Ich weiß, dass du bei mir bleiben willst, aber ich kann es besser ertragen, wenn ich weiß, dass du nicht zuschaust... Ich habe es mir selbst eingebrockt, Katrina, und möchte nicht, dass du auch noch leiden musst.«
    Ihre Miene wirkte angestrengt. »Zu wissen, was dir widerfährt, schmerzt mich so oder so, ganz gleich, wo ich bin. Aber … ich werde deinen Wunsch erfüllen, weil es dir hilft, diese Prüfung durchzustehen... Du weißt, dass ich mich an deiner statt auspeitschen lassen würde, wenn ich könnte.«
    »Und du weißt«, sagte er und küsste sie auf beide Wangen, »dass ich das niemals zulassen würde.«
    Tränen traten ihr in die Augen, und sie drückte ihn so fest an sich, dass er kaum mehr Luft bekam.
    Sie lagen sich immer noch in den Armen, als die Zeltplane zurückgeschlagen wurde und Jörmundur und zwei Nachtfalken hereinkamen. Katrina trat von Roran zurück, machte einen Knicks vor Jörmundur und verließ das Zelt.
    »Es ist so weit«, sagte der Befehlshaber der Varden.
    Roran nickte und ließ sich von Jörmundur und den Wachen zum Schandpfahl führen. Um den Pfahl standen stumm und erwartungsvoll in dichten Reihen Männer, Frauen, Zwerge und Urgals. Nach einem anfänglichen Blick auf das Heer von Zuschauern starrte Roran zum Horizont und versuchte, die Menge zu ignorieren.
    Die beiden Wachen hoben Rorans Arme über den Kopf und fesselten seine Handgelenke an den Querbalken des Schandpfahls. Unterdessen ging Jörmundur um den Pfosten herum und zog ein lederumwickeltes Holzstück aus der Tasche. »Hier, beiß da drauf«, sagte er mit leiser Stimme zu Roran. »Es verhindert, dass du dich selbst verletzt.« Dankbar öffnete Roran den Mund und ließ sich von Jörmundur das Beißholz zwischen die Zähne schieben. Das gegerbte Leder schmeckte bitter wie grüne Eicheln.
    Dann ertönte ein Hornsignal, begleitet von einem Trommelwirbel. Jörmundur verlas die Anklage gegen Roran und die Wachen schnitten das Sackleinenhemd auf.
    Er schauderte, als ihm die kühle Luft über den nackten Oberkörper strich.
    Kurz vor dem ersten Hieb hörte Roran die Peitsche zischend durch die Luft schnellen.
    Es war, als hätte man ihm eine glühende Metallstange auf den Leib gepresst. Roran krümmte den Rücken und biss auf das Holzstück. Ein unbeabsichtigtes Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Doch da das Holz das Geräusch dämpfte, glaubte er nicht, dass es jemand gehört hatte.
    »Eins«, sagte der Mann, der die Peitsche schwang.
    Der Schock des zweiten Hiebs ließ Roran abermals aufstöhnen, danach gab er jedoch keinen Laut mehr von sich, denn er wollte vor den Varden nicht wie ein Schwächling erscheinen.
    Die Peitsche hinterließ blutige Striemen, so schmerzhaft wie die schweren Verletzungen, die Roran in den letzten Monaten erlitten hatte. Aber nach einem Dutzend Hieben hörte er auf zu kämpfen und ergab sich der Pein, die ihn in einen trüben Trancezustand versetzte. Sein Blickfeld verengte sich, bis er nur noch das verblichene Holz vor sich sah, und immer wieder wurde ihm schwarz vor Augen, bevor er für kurze Momente das Bewusstsein verlor.
    Nach einer Ewigkeit, wie es schien, hörte er aus weiter Ferne eine undeutliche Stimme sagen: »Dreißig«, und blanke Verzweiflung ergriff ihn, als er sich fragte, wie in aller Welt er noch zwanzig

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