Die Weisheit des Feuers
dachte Jeod also, Brom wäre in Gil’ead umgekommen«, sagte Eragon.
Oromis nickte wieder. »Von Angst getrieben, wagte er es nicht, auf seine Gefährten zu warten. Selbst wenn deine Mutter am Leben und wohlauf war, fürchtete Brom, Galbatorix könnte Selena zu seiner eigenen Schwarzen Hand machen, sodass sie nie wieder die Chance bekäme, dem Imperium zu entrinnen.«
Eragon stiegen Tränen in die Augen.
Wie sehr muss Brom sie geliebt haben, um alle zu verlassen, sobald er wusste, dass sie in Gefahr war.
»Von Gil’ead aus ritt Brom geradewegs zu Morzans Besitz und machte nur zum Schlafen halt. Aber er kam trotzdem zu spät. Als er die Burg erreichte, erfuhr er, dass deine Mutter zwei Wochen zuvor krank und stark geschwächt von ihrer geheimnisvollen Reise zurückgekehrt sei. Morzans Heiler hatten versucht, sie zu retten, aber ihren Anstrengungen zum Trotz war sie nur wenige Stunden, bevor Brom eintraf, ins Nichts hinübergegangen.«
»Er hat sie nie wiedergesehen?«, fragte Eragon, die Kehle wie zugeschnürt.
»Nie wieder.« Oromis überlegte und sein Gesichtsausdruck wurde weich. »Sie zu verlieren, war, glaube ich, fast so schlimm für Brom wie der Verlust seines Drachen, und es hat ihm viel von seinem Feuer genommen. Trotzdem gab er nicht auf, und er wurde auch nicht wahnsinnig wie damals für eine gewisse Zeit, als die Abtrünnigen Saphiras Namensschwester ermordet hatten. Stattdessen beschloss er, die Ursache für den Tod deiner Mutter herauszufinden und jene zu bestrafen, die dafür verantwortlich waren, soweit es in seiner Macht stand. Er fragte Morzans Heiler aus und zwang sie, ihm Selenas Leiden zu beschreiben. Aus ihren Worten und dem Klatsch der Bediensteten erriet er die Schwangerschaft deiner Mutter. Erfüllt von dieser Hoffnung, ritt er zu dem einzigen Ort, der ihm einfiel: das Elternhaus deiner Mutter in Carvahall. Und dort fand er dich in der Obhut deiner Tante und deines Onkels.
Aber Brom blieb nicht in Carvahall. Sobald er sich davon überzeugt hatte, dass im Heimatort deiner Mutter niemand etwas von ihrer Vergangenheit als Schwarze Hand wusste und dir keine unmittelbare Gefahr drohte, kehrte er heimlich nach Farthen Dûr zurück und gab sich Deynor, dem damaligen Anführer der Varden, zu erkennen. Deynor war höchst überrascht, ihn zu sehen, denn bis dahin hatten alle geglaubt, er sei in Gil’ead umgekommen. Brom überredete ihn, niemandem zu verraten, dass er noch am Leben war, außer einigen Ausgewählten, und dann...«
Eragon hob die Hand: »Aber warum? Warum gab er vor, tot zu sein?«
»Brom wollte lange genug leben, um den neuen Drachenreiter auszubilden, und er wusste, er konnte einem Vergeltungsanschlag wegen Morzans Ermordung nur entgehen, indem er Galbatorix glauben machte, er sei schon tot und begraben. Außerdem wollte er keine unnötige Aufmerksamkeit auf Carvahall ziehen. Er wollte sich dort niederlassen, um in deiner Nähe zu sein, was er dann ja auch getan hat, wollte aber auf keinen Fall, dass das Imperium dadurch von deiner Existenz erfuhr.
Während er in Farthen Dûr war, half Brom den Varden, die Verhandlungen mit Königin Islanzadi zu führen. Es ging darum, wie die Elfen und Menschen sich die Aufgabe teilen würden, über das Ei zu wachen, und wie der neue Reiter ausgebildet werden sollte, falls der Drache schlüpfte. Dann begleitete er Arya, als sie das Ei von Farthen Dûr nach Ellesméra brachte. Hier angekommen, hat er Glaedr und mir alles berichtet, was ich dir jetzt erzählt habe, damit die Wahrheit über deine Herkunft nicht verloren ginge, falls er sterben sollte. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Von hier aus ist Brom nach Carvahall zurückgekehrt, wo er sich als Barde und Geschichtenerzähler ausgab. Was danach geschah, weißt du besser als ich.«
Oromis verstummte und eine Zeitlang schwiegen alle.
Eragon starrte zu Boden, überdachte noch einmal alles, was er von Oromis erfahren hatte, und versuchte, seine Gefühle zu ordnen. Schließlich sagte er: »Und Brom ist wirklich mein Vater, nicht Morzan? Ich meine, wenn meine Mutter Morzans Geliebte war, dann...« Verlegen brach er ab.
»Du bist der Sohn deines Vaters«, sagte Oromis, »und dein Vater ist Brom. Daran besteht kein Zweifel.«
»Nicht der geringste?«
Der Elf schüttelte den Kopf. »Nicht der geringste.«
Ein leichtes Schwindelgefühl erfasste Eragon, und er merkte, dass er den Atem angehalten hatte. Nachdem er ausgeatmet hatte, sagte er: »Ich denke, ich verstehe, dass«
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