Die Weisheit des Feuers
auf. Der Anblick so viel mutwilliger Zerstörung bereitete ihm Übelkeit. Den Blick abgewendet, packte er die Zacke vor ihm und kniff die Augen zu, bis er zwischen den Wimpern nur noch verschwommen die weißen Knorpel auf seinen Knöcheln sah.
Kleiner,
sagte Saphira; ihre Gedanken waren langsam und müde.
Wir haben das alles doch schon erlebt. Lass nicht zu, dass es dich so mitnimmt.
Er bedauerte, sie vom Fliegen abgelenkt zu haben.
Es tut mir leid... Wenn wir da sind, wird es mir wieder gut gehen. Ich möchte nur, dass es vorbei ist.
Ich weiß.
Eragon schniefte und wischte sich die Nase am Wamsärmel ab.
Manchmal wünschte ich, das Kämpfen würde mir genauso viel Vergnügen bereiten wie dir. Dann wäre es viel leichter.
Und die ganze Welt würde sich vor uns im Staub winden, einschließlich Galbatorix,
entgegnete sie.
Nein, es ist gut, dass du meine blutrünstigen Vorlieben nicht teilst. Wir gleichen einander aus, Eragon... Allein sind wir unvollständig, aber gemeinsam bilden wir ein Ganzes. So, und jetzt verdränge diese Gedanken, die deinen Geist vergiften, und gib mir ein Rätsel auf, das mich wach hält.
Na gut,
sagte er nach einem Moment.
Es gibt mich in Rot und Blau und Gelb und allen anderen Farben des Regenbogens. Ich bin lang und kurz, dick und dünn, und oft liege ich zusammengerollt da. Ich kann hundert Schafe nacheinander fressen und trotzdem noch hungrig sein. Was bin ich?
Ein Drache natürlich,
sagte sie, ohne zu zögern.
Nein, ein Wollteppich.
Pah!
Der dritte Reisetag verging unerträglich langsam. Die einzigen Geräusche waren das Schlagen von Saphiras Flügeln, das gleichmäßige Keuchen ihrer Atemzüge und das Rauschen des Windes in Eragons Ohren. Vom langen Sitzen taten ihm die Beine und der Rücken weh, aber all das war nichts verglichen mit Saphiras Schmerzen, deren Flugmuskeln höllisch brannten. Trotzdem hielt sie durch, beschwerte sich nicht und lehnte sein Angebot ab, ihr Leid mit einem Zauber zu lindern.
Du wirst deine ganze Kraft brauchen, wenn wir gelandet sind,
sagte sie.
Einige Stunden nach Sonnenuntergang geriet Saphira plötzlich ins Wanken und sackte ein Dutzend Fuß in die Tiefe. Beunruhigt straffte Eragon den Rücken und schaute sich nach der möglichen Ursache für die Turbulenzen um, aber unter sich sah er nur Schwärze und über sich das funkelnde Sternenmeer.
Ich glaube, wir haben den Jiet-Strom erreicht,
sagte Saphira.
Die Luft hier ist kühl und feucht, wie es über einem Gewässer üblich ist.
Dann sollte Feinster nicht mehr allzu weit entfernt sein. Bist du sicher, dass du die Stadt im Dunkeln findest? Wir könnten hundert Meilen nördlich oder südlich von ihr sein.
Nein, könnten wir nicht. Mein Orientierungssinn mag zwar nicht unfehlbar sein, aber er ist auf jeden Fall besser als deiner oder der eines jeden anderen erdgebundenen Geschöpfs. Wenn die elfischen Landkarten, die wir studiert haben, stimmen, dann befinden wir uns höchstens fünfzig Meilen nördlich oder südlich von Feinster, und aus unserer Flughöhe werden wir die Stadt auf diese Entfernung mühelos erkennen. Wir riechen wahrscheinlich sogar den Rauch aus den Schornsteinen.
Und so war es auch. Tief in der Nacht - der Sonnenaufgang war nur noch wenige Stunden entfernt - erschien ein mattrotes Glühen am westlichen Horizont. Als Eragon es entdeckte, drehte er sich um, holte seine Rüstung aus den Satteltaschen und zog das Kettenhemd, die ausgepolsterte Lederkappe, den Helm und die Arm- und Beinschienen an. Er wünschte, er hätte seinen Schild dabei, aber den hatte er bei den Varden gelassen, bevor er mit Nar Garzhvog zum Berg Thardûr gerannt war.
Mit einer Hand durchwühlte Eragon seine Taschen, bis er den Faelnirv fand, den Oromis ihm geschenkt hatte. Das Metallfläschchen lag kühl in seiner Hand. Eragon trank einen kleinen Schluck von dem verzauberten Elfenschnaps aus zerstampften Holunderbeeren und gesponnenen Mondstrahlen. Die Flüssigkeit brannte in seinem Mund, Hitze stieg ihm ins Gesicht. Sekunden später begann seine Erschöpfung zu weichen, als die belebende Wirkung des Faelnirv einsetzte.
Eragon schüttelte das Fläschchen probehalber und bemerkte besorgt, dass es sich anfühlte, als wäre bereits ein Drittel des kostbaren Schnapses aufgebraucht. Obwohl er, seit er ihn besaß, nur zwei winzige Schlucke davon getrunken hatte.
Ich muss künftig noch sparsamer damit umgehen,
dachte er.
Als er und Saphira sich der Stadt näherten, löste das
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