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Die Weisheit des Feuers

Die Weisheit des Feuers

Titel: Die Weisheit des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Paolini
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für Eragon nach seiner ruhigen Wanderschaft allein schon erschreckend genug gewesen, aber wegen seines sensiblen Gehörs fühlte er sich, als würde er mitten in einem dröhnenden Wasserfall stehen. Es fiel ihm schwer, sich auf eine Stimme zu konzentrieren. Sobald er ein Wort oder gar einen ganzen Satz aufgeschnappt hatte, übertönte diesen schon der nächste Wortschwall. In einer Ecke sangen drei Spielleute eine humoristische Version von »Liebliche Aethrid o’ Dauth« und verstärkten damit den Lärm noch.
    Durch die sperrfeuerartigen Gespräche bahnte Eragon sich einen Weg zum Tresen. Er wollte die Bedienung ansprechen, aber die Frau war zu beschäftigt. Es dauerte fünf Minuten, bis sie ihn bemerkte und fragte: »Womit kann ich dienen?« Haarsträhnen hingen ihr ins verschwitzte Gesicht.
    »Hast du ein Zimmer für mich? Oder irgendeine Ecke, wo ich schlafen kann?«
    »Keine Ahnung. Frag die Hausherrin. Sie kommt gleich runter.« Dann deutete sie in Richtung der schummrigen Treppe.
    Während er wartete, lehnte Eragon sich an den Tresen und musterte die Leute. Es war eine bunte Mischung. Etwa die Hälfte stammte aus Eastcroft und veranstaltete ein nächtliches Trinkgelage. Die meisten anderen waren Männer und Frauen - oft ganze Familien - auf der Flucht in eine sicherere Gegend. Eragon erkannte sie an den abgetragenen Hemden und schmutzigen Hosen und daran, wie sie auf ihren Stühlen kauerten und jeden musterten, der ihnen nahe kam. Sie vermieden es jedoch sorgsam, zur letzten und kleinsten Gruppe der Gäste hinüberzublicken: Galbatorix’ Soldaten. Die Männer in den roten Wämsern machten mehr Lärm als alle anderen. Sie lachten und brüllten und schlugen mit ihren gepanzerten Fäusten auf die Tische, während sie Bier soffen und jede Frau angrapschten, die dumm genug war, ihnen zu nahe zu kommen.
    Benehmen sie sich so, weil sie wissen, dass niemand es wagt, gegen sie aufzubegehren, und sie es genießen, ihre Macht zu demonstrieren?,
 fragte sich Eragon
. Oder weil man sie gezwungen hat, sich Galbatorix’ Heer anzuschließen, und sie ihre Scham und ihre Angst mit ihrer Ausgelassenheit zu betäuben versuchen?
    Die Spielleute sangen jetzt:
    So eilte die liebliche Aethrid o’ Dauth
 
zu Graf Edel und rief: »Lasst meinen Geliebten
 
frei. Sonst verwandelt Euch die Hexe
 
in einen dummen Vogel Strauß!«
 
Doch Graf Edel, ja, der lachte nur
 
und ging zurück ins schmucke Haus.
    Die Menge teilte sich und gewährte Eragon einen Blick auf einen Tisch an der Wand. Eine einzelne Frau saß dort, ihr Gesicht verborgen unter der Kapuze eines Reiseumhangs. Vier Männer umringten sie; alles große, grobschlächtige Bauern mit kräftigen Stiernacken und vom Alkohol geröteten Wangen. Zwei von ihnen lehnten neben der Frau an der Wand, einer saß verkehrt herum auf einem Stuhl vor ihr und der vierte hatte den Stiefel auf die Kante des niedrigen Tisches gestellt und stützte sich auf das Knie. Die Männer redeten laut und ungezwungen. Obwohl Eragon nicht verstehen konnte, was die Frau sagte, war es für ihn offensichtlich, dass ihre Antwort die Bauern verärgerte. Sie funkelten sie an, warfen sich in die Brust und plusterten sich auf wie Gockel. Einer von ihnen deutete drohend mit einem Finger auf sie.
    Für Eragon sahen sie aus wie anständige, schwer arbeitende Männer, deren Manieren ihnen in den Bierkrügen abhandengekommen waren. Diese Unsitte hatte er an Feiertagen in Carvahall schon allzu oft erlebt. Garrow hatte keinen Respekt vor Männern gehabt, die ihr Bier nicht vertrugen und trotzdem darauf bestanden, sich in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. »Es ist unschicklich«, hatte er gesagt. »Wenn man nicht aus Spaß trinkt, sondern um sein Schicksal zu ersäufen, dann sollte man das zu Hause tun, wo man niemanden stört.«
    Plötzlich beugte sich der Mann zur Linken der Frau vor und schob ihr einen Finger unter die Kapuze, als wollte er sie zurückstreifen. Fast zu schnell für Eragons Auge packte die Frau das Handgelenk des zudringlichen Kerls, dann ließ sie es jedoch wieder los, als sei nichts geschehen. Eragon bezweifelte, dass irgendjemand im Schankraum die Bewegung bemerkt hatte, wahrscheinlich nicht einmal der Mann selbst.
    Die Kapuze fiel zurück und Eragon fuhr verblüfft zusammen. Die Frau war ein Mensch, sah aber aus wie Arya. Der einzige Unterschied waren ihre Augen - die rund waren und nicht schräg standen wie bei einer Katze - und die Ohren, denen die spitze elfische Form fehlte. Sie

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