Die Weisheit des Feuers
neuen Angriffs sah er sich nach Arya und den restlichen Soldaten um.
Die Pferde waren auseinandergestoben. Nur drei Soldaten waren noch am Leben. Mit zweien von ihnen war Arya in einiger Entfernung beschäftigt, während der letzte in südlicher Richtung zu fliehen versuchte. Eragon nahm all seine Kräfte zusammen und verfolgte ihn. Als er ihm immer näher kam, bettelte der Mann um Gnade, versprach ihm, niemandem etwas von dem Gemetzel zu erzählen, und hielt ihm die ausgestreckten Hände entgegen, um ihm zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Als Eragon bis auf Armeslänge herangekommen war, wich der Mann seitlich aus, ein paar Schritte weiter änderte er erneut die Richtung. Er schlug weiter Haken wie ein gehetztes Kaninchen und die ganze Zeit über bettelte er, während ihm die Tränen über die Wangen liefen. Er jammerte, er sei noch viel zu jung zum Sterben, er müsse doch erst noch heiraten und Kinder zeugen, seine Eltern würden ihn vermissen und dass man ihn gezwungen habe, in die Armee einzutreten. Es sei erst sein fünfter Einsatz und Eragon solle ihn doch in Ruhe lassen. »Was hast du denn gegen mich?«, schluchzte er. »Ich hab doch nur getan, was ich tun musste. Ich bin ein guter Mensch!«
Eragon hielt inne und zwang sich zu sagen: »Du kannst nicht mit uns Schritt halten. Und wir können dich auch nicht laufen lassen. Sonst schnappst du dir ein Pferd und verrätst uns.«
»Nein, ganz bestimmt nicht!«
»Die Leute werden dich fragen, was hier passiert ist. Dein Eid Galbatorix und dem Imperium gegenüber wird dich daran hindern zu lügen. Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wie ich dich von diesen Banden befreien kann, außer...«
»Warum tust du das? Du bist ein Ungeheuer!«, kreischte der Mann. Das nackte Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben und er versuchte, an Eragon vorbei zur Straße zu rennen. Eragon hatte ihn schnell eingeholt. Da der Mann immer noch heulte und um Gnade flehte, legte er ihm die linke Hand um den Hals und drückte zu, bis er es knacken hörte. Als er losließ, fiel ihm der Soldat tot vor die Füße.
Ein gallebitterer Geschmack lag auf Eragons Zunge, als er in die starren Züge blickte.
Immer wenn wir jemanden töten, töten wir auch ein Stück von uns selbst,
dachte er. Zitternd vor Ekel, Schmerz und Selbsthass kehrte er dahin zurück, wo alles begonnen hatte. Arya kniete neben einem Leichnam und wusch sich die Hände mit Wasser aus einer Blechflasche, die einer der Soldaten bei sich gehabt hatte.
»Wie kommt es«, sagte sie, »dass du diesen Mann umgebracht hast, dich aber nicht überwinden konntest, Hand an Sloan zu legen?« Sie stand auf und sah ihn freimütig an.
Eragon fühlte sich leer. Achselzuckend sagte er: »Er war eine Gefahr, Sloan nicht. Ist das nicht offensichtlich?«
Arya schwieg für eine Weile. »Das sollte es wohl, ist es aber nicht... Es beschämt mich, mich von jemandem moralisch belehren lassen zu müssen, der so viel weniger Erfahrung hat. Vielleicht war ich bisher immer zu sicher, das Richtige zu tun.«
Eragon hörte ihre Worte, doch sie hatten keine Bedeutung für ihn, während sein Blick über die Toten hinwegglitt.
Ist das alles, was aus meinem Leben geworden ist?,
fragte er sich.
Eine endlose Folge von Schlachten?
»Ich fühle mich wie ein Mörder.«
»Ich verstehe, wie schwierig das für dich sein muss«, sagte Arya. »Vergiss nicht, Eragon, du hast erst einen kleinen Teil dessen erfahren, was es bedeutet, ein Drachenreiter zu sein. Irgendwann wird dieser Krieg zu Ende sein, und du wirst sehen, dass deine Pflichten nicht nur aus Gewalt bestehen. Die Drachenreiter waren nicht nur Krieger, sie waren auch Lehrer, Heiler und Gelehrte.«
Einen Moment lang verhärteten sich seine Kiefermuskeln. »Warum kämpfen wir gegen diese Männer, Arya?«
»Weil sie zwischen uns und Galbatorix stehen.«
»Dann sollten wir eine Möglichkeit finden, Galbatorix direkt zu fassen zu kriegen.«
»Es gibt keine. Wir können nicht in Urû’baen einmarschieren, bevor wir seine Truppen besiegt haben. Und wir können seine Burg nicht einnehmen, ohne zuvor jahrhundertealte Fallen, magische und andere, unschädlich zu machen.«
»Es muss eine Möglichkeit geben«, brummte er. Er blieb, wo er war, als Arya losging und einen Speer packte. Doch als sie einem toten Soldaten die Spitze unters Kinn setzte und in den Schädel stieß, sprang er auf sie zu und zog sie weg von dem Körper. »Was tust du denn da?«, rief er.
Zorn flackerte in Arya auf. »Das
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