Die Weisheit des friedvollen Kriegers
Heute ist das Tor zur Zukunft; heute legen wir das Fundament für alles, was folgt.
Kein Zurück
»Ich weiß nicht, Socrates, was ich davon halten soll. Mein Leben in diesen drei Monaten, seit ich dich kenne, war wie ein unwirklicher Traum. Verstehst du? Manchmal wünsche ich mir, ich könnte zurückkehren in mein normales Leben, wie ich es früher gewohnt war.«
In den Worten und Wünschen, die ich in diesem Abschnitt zum Ausdruck bringe, reflektiert sich etwas, was viele Menschen vor (oder auch nach) einer sprunghaften Veränderung ihres Bewusstseins erleben. Freunde oder Partner, die an ihrem normalen Leben festhalten, weiterhin schlafen, träumen und tun, was von ihnen erwartet wird, scheinen in weite Ferne zu rücken.
Dieses Hin-und-her-Gerissensein zwischen unechter Wirklichkeit und Authentizität wird häufig zum Gegenstand populärer Kultur und Kunst gemacht. So bieten zum Beispiel auch die Matrix -Filme eine Metapher des Träumens und Aufwachen, um den Unterschied eines Lebens in Verleugnung und der Erkenntnis der Wirklichkeit, wie sie tatsächlich ist, zu beschreiben.
Wenn man liest, was ich dazu geschrieben habe, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass ich für die normalen Dinge des Lebens nur Verachtung übrig hätte. Das ist aber keineswegs so. Gesellschaft und Politik spiegeln exakt den gegenwärtigen Stand unseres Wachstums und unserer Entwicklung wider; besser geht es im Moment nicht. Socrates hätte mich nie aufgefordert, mich dem normalen Alltag zu verweigern. Wichtig war ihm nur, dass ich die konventionelle Geistesverfassung hinter mir ließ, dass ich erkannte, dass das Leben aus
mehr besteht als aus den üblichen Zerstreuungen und kurzfristigen Ablenkungen.
In meinem persönlichen Erscheinungsbild, in puncto Kleidung und Verhalten, wirke ich heutzutage total normal. Joy und ich leben in einem kleinen Häuschen in einer Vorstadt in Nordkalifornien. Wir haben einen ordentlichen Lattenzaun und zwei (allerdings ziemlich alte) Autos. Wir wohnen in keinem Aschram und in keiner Kommune und haben uns auch nicht auf irgendeinen Berg zurückgezogen.
Doch im Hinblick auf unsere Wertvorstellungen, Prioritäten und Empfindungen unterscheiden wir uns vermutlich von vielen unserer Nachbarn. Nichts Großartiges – nichts, wodurch wir uns auf irgendeine Weise besonders hervorheben. Es ist eher eine gewisse Bewusstheit, Leichtigkeit, Dienstbereitschaft, vielleicht auch unser Blickfeld, das sich aufgrund intensiver innerer Arbeit und Lebenserfahrung erweitert hat. Möglicherweise legen wir ein bisschen weniger Angst, Sorge und Widerstand an den Tag. Wir leben in keiner anderen Welt, nehmen die Wirklichkeit aber eine Spur anders wahr – und zahlen trotzdem unsere Rechnungen, mähen den Rasen und waschen unsere Wäsche. Genau wie Socrates führen wir ein normales Leben mit unkonventionellen Perspektiven.
Zu Kapitel zwei
Das Netz der Illusionen
Weiser macht es, eine Illusion zu verlieren, als die Wahrheit zu finden.
Ludwig Börne
Befreiung
»Du erkennst dein Gefängnis nicht«, sagte er, »weil die Gitterstäbe unsichtbar sind. Meine Aufgabe ist es, dir deine missliche Lage vor Augen zu führen, und ich hoffe, es wird eine desillusionierende Erfahrung für dich sein. (…) Desillusionierung – das ist das beste Geschenk, das ich dir machen kann. Sie mag dir als etwas Negatives erscheinen, nur weil du deine Illusionen liebst. Vielleicht bedauerst du einen Freund: ›Oh, welch eine desillusionierende Erfahrung musste der Arme machen!‹ Du solltest ihn aber beglückwünschen und dich freuen mit ihm, weil er von seiner Illusion befreit worden ist. (…) Tatsache ist«, sagte er, »dass du leidest. Das Leben freut dich im Grunde nicht, Dan. Deine Vergnügungen, deine Spielereien mit Mädchen, sogar der Sport – all das sind nur Mittel, um dich von deiner tief sitzenden Angst abzulenken! (…) Du versuchst dich nur abzulenken von dem, was du
tun solltest: dich befreien. (…) Du bist auf Leistung und auf Zerstreuung konditioniert, Dan, und das hilft dir, vor der Ursache deines Leidens die Augen zu verschließen.«
Stell dir vor, du blickst in einen dunklen Brunnen. An seinem Rand blühen vielleicht Kletterpflanzen, und eigentlich wirkt es in der Tiefe ganz ruhig und still. Doch wenn man dann den Lichtstrahl einer Taschenlampe in das Dunkel richtet, wird plötzlich das ganze Krabbelgetier sichtbar, von dem du eine Sekunde zuvor noch nicht das Geringste wusstest. Dieses Phänomen tritt
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