Die Weisheit des friedvollen Kriegers
ist, wenn du nicht mehr aufhören kannst zu denken, wenn dir dauernd mathematische Gleichungen oder Telefonnummern einfallen und deine Gedanken unaufhörlich um Erinnerungen kreisen, ohne dass du es willst? Das ist nicht mehr dein Gehirn, das funktioniert, sondern dein Denken, das ziellos umherschweift (…) dein Traktor rast steuerlos durch die Gegend.«
Unabhängig davon, ob wir Socrates’ Ausführungen nun zustimmen oder nicht, wünschen wir uns doch oft, wir könnten diese ständige Gedankenflut, die meistens mit Sorgen, Bedauern und Ängsten einhergeht, endlich eindämmen. Viele von uns versuchen daher durch Meditation, Yoga oder andere Praktiken, zur Ruhe zu kommen und sich zu entspannen.
Im Laufe der Jahre habe ich mich eingehend mit dem Problem der unkontrollierten Gedanken, die durch unser Bewusstsein flutschen, beschäftigt. Mitunter sind sie ja ganz angenehm – schöne Erinnerungen, Fantasien oder glückliche, friedvolle Bilder. Aber meistens besteht das Zeug in unserem Kopf doch aus Problemen, Sorgen und Dingen, die noch zu erledigen sind.
Unsere geistigen oder emotionalen Schmerzen wollen wir genauso loswerden wie die körperlichen. Daher wirken Psychotherapeuten und Vertreter verwandter Berufsgruppen wie kognitive Chiropraktiker, die versuchen, unsere Weltsicht wieder einzurenken.
Ich habe inzwischen Frieden mit meinem Kopf geschlossen, egal, ob er gerade mit positiven oder mit negativen
Gedanken angefüllt ist. Denken ist genauso natürlich wie eine sprudelnde Thermalquelle. Es kommt nur darauf an, dass wir unsere Gedanken nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Wir müssen sie nicht verändern, aber wir sollten ihnen auch keine Macht über unser Leben einräumen.
Als mir dämmerte, dass ich mein Handeln besser steuern kann als meine Gedanken oder Gefühle, begriff ich auch, was Socrates eigentlich sagen wollte. Es ging ihm gar nicht darum, dass ich mein Innenleben in Ordnung bringen sollte, er wollte mir vielmehr erklären, wie ich mich über die Launen meines Kopfes und meiner Emotionen erheben kann. Heute konzentriere ich mich ganz auf mein Tun und lasse den Rest so, wie er ist.
Das Gesetz des Nachgebens
»Der Regen war eine ganz normale Naturerscheinung. Deine Wut über das ruinierte Picknick und deine Freude, als die Sonne wieder schien, waren beide Produkte deines Denkens. Sie hatten nicht das Geringste mit den tatsächlichen Vorgängen zu tun. Du hast doch schon einmal erlebt, dass du unglücklich warst auf einem Fest, oder? Und bestimmt hatten deine trüben Gedanken nichts mit den Leuten zu tun, auch nichts mit deiner Situation.«
Mit der Erinnerung an unser verregnetes Picknick leitete Socrates meine Unterweisung in eine weitere Geschäftsregel ein: das geistige Gesetz des Nachgebens oder Annehmens, das besagt, dass Stress auftritt, wenn
sich das Denken den Gegebenheiten widersetzt. Dieses Gesetz verlangt nicht, allen Vorlieben abzuschwören. Dass wir lieber Lust als Schmerz empfinden ist zum Beispiel ganz natürlich. Aber stellen wir uns doch nur einmal vor, wie sehr sich unser Leben verändern würde, wenn wir unsere Vorlieben Vorlieben sein lassen könnten, wenn wir lernen würden, alles, was kommt, wohlwollend anzunehmen und widerstandslos versuchen würden, das Beste daraus zu machen. Wie der griechische Philosoph Epiktet einmal sagte: »Lernt, euch zu wünschen, dass alles genau so kommen möge, wie es kommt.«
Wenn wir uns die Fähigkeit aneignen, dem Fluss des Lebens zu folgen, haben wir weniger Stress und psychische Turbulenzen. Diese Fähigkeit kommt allerdings nicht über Nacht, sondern entwickelt sich in einem Prozess, im Laufe dessen sich unser Blickfeld weitet und wir auch Widrigkeiten zu schätzen lernen.
Alles kommt, wie es kommt. Und das Beste aus dem Leben zu machen ist eine erwerbbare Kompetenz. In den Kampfkünsten neigen Anfänger dazu, einer Kraft Widerstand entgegenzubringen. Meister dagegen gehen mit der Kraft und nutzen sie zu ihrem Vorteil. Auch das gehört zum Lebensmodell eines friedvollen Kriegers.
Die dunkle Nacht der Seele
Ich fasste den eisernen Beschluss, mein normales Leben wieder aufzunehmen, dort, wo ich es vor ein paar Monaten verlassen hatte.
(…)
Das Leben war eine Qual für mich. Wenn andere lachten, tat es mir in den Ohren weh. Ich musste an Joy und an Socrates denken, wie sie kichernd herumtanzten, Zaubermeister und Hexe, und ihre Ränke gegen mich schmiedeten. Im Kino, wo ich nur meine Zeit vor der Leinwand absaß,
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