Die Weisheit des friedvollen Kriegers
auch auf, wenn Licht in die menschliche Seele fällt. Wie C. G. Jung, Psychologe und Pionier der Traumarbeit, sinngemäß einmal schrieb: »Erleuchtung besteht nicht darin, strahlende Lichter wahrzunehmen und Visionen zu haben, sondern darin, die Dunkelheit sichtbar zu machen.«
Wir sind auf der Welt, um unsere persönlichen Tiefen auszuloten und dabei das Leben selbst zu begreifen. Dafür müssen wir aber nicht nur unser Licht sehen und annehmen, sondern auch unseren Schatten. Stephen Levine hat es einmal so ausgedrückt: »Achtsamkeit lehrt uns das Wesen des Schatten; Herzenswärme lehrt uns das Wesen des Lichts. Wenn die beiden aber nicht im Gleichgewicht sind, tappen wir entweder blind im Dunkeln oder lassen uns vom Licht blenden.«
Socrates zerstörte die Selbsttäuschungen, auf denen mein Bild von mir beruhte, damit ich in die Lage versetzt wurde, mich mit meinem subjektiven Denken auseinanderzusetzen. Wir müssen eben nicht nur etwas fühlen, um zu heilen, sondern es auch sehen, um uns davon befreien zu können.
Anhaftung und Leiden
»Wenn du nicht bekommst, was du haben willst, dann leidest du. Wenn du bekommst, was du nicht haben willst, dann leidest du. Du leidest sogar, wenn du genau das bekommst, was du haben wolltest, nur weil du es nicht ewig behalten kannst. Das Problem ist dein Denken. Es scheut die Veränderung, es scheut Schmerzen, es scheut die Anforderungen des Lebens und Sterbens. Veränderung heißt das Gesetz aber, und du kannst dir einreden, was du willst – an diesem Gesetz kannst du nicht deuteln.«
»Socrates, du kannst einem wirklich den Spaß verderben. Wenn das Leben, wie du sagst, nichts als Leiden ist – wozu dann die ganze Aufregung?«
»Nein, das Leben ist nicht Leiden. Nur du leidest, weil du es nicht genießen kannst, solange du nicht die Fesseln deines Denkens abwirfst und dich auf den Weg machst, ganz gleich, was geschieht.«
Der griechisch-armenische Mystiker Georg I. Gurdjieff sagte einmal: »Der Mensch mag jeglichem Vergnügen abschwören. Sein Leiden aber wird er nie aufgeben.« Auch er war also der Auffassung, dass wir uns aus einer grundlegenden Angst heraus an das Gewohnte klammern und alles versuchen, um Veränderungen zu vermeiden. Wenn etwas schlecht läuft, wollen wir es verändern, manchmal jedenfalls. Doch viele verharren auch in schmerzlichen oder missbräuchlichen Verhältnissen, denn mit denen sind sie wenigstens vertraut. Man sagt ja auch: »Der Teufel, den wir kennen, ist einem Beelzebub vorzuziehen, den wir nicht kennen.«
Die meisten, die sich auf unbekanntes Terrain vorwagen, hatten irgendwann das Gefühl, zwischen dem, der
sie waren, und dem, zu dem sie wurden, hin- und hergerissen zu sein. Die Reise erfordert Risikobereitschaft – natürlich keine zur Schau gestellte halsbrecherische Tollkühnheit, sondern die Bereitschaft, existenzielle oder emotionale Risiken einzugehen –, der großen Angst ins Auge zu sehen und alles loszulassen, was wir zu sein glauben. Die Entscheidung, als friedvoller Krieger zu leben, setzt daher viel Mut, Hingabe und Ausdauer voraus (hilft aber auch, sie zu entwickeln).
Augustinus drückte es einmal sinngemäß so aus: »Betet nicht für eine leichtere Last, sondern für stärkere Schultern.«
Die Illusion, die wir Denken nennen
»Vielleicht sollten wir für dich ein paar Begriffe neu definieren. Denken zum Beispiel ist ein genauso verschwommenes Wort wie Liebe. Die jeweilige Definition hängt ganz von deinem Bewusstseinszustand ab. Du kannst es folgendermaßen betrachten: Du hast ein Gehirn, das deinen Körper steuert. Es sammelt Informationen und wendet diese Informationen an. Diese abstrakten Vorgänge im Gehirn bezeichnen wir als Verstand. Was du als Denken bezeichnest, kommt nirgends vor. Gehirn und Gedanken sind nicht dasselbe. Das Gehirn ist real, die Gedanken nicht.
Dein Denken ist das illusorische Ergebnis einfacher Hirnvorgänge. Es wuchert – wie ein Tumor. Es umfasst all die zufälligen, ziellosen Gedanken, die aus dem Unterbewusstsein ins Bewusstsein aufsteigen. Aber Bewusstsein ist nicht gleich Denken! Aufmerksamkeit ist nicht gleich Denken. Gewahrwerden ist nicht gleich Denken. Das sogenannte Denken ist eine Störung, ein geistiger Kurzschluss. (…) Das Gehirn ist ein Werkzeug,
mit dem wir allerhand anfangen können. Es kann Telefonnummern speichern, es kann mathematische Gleichungen lösen und Gedichte ersinnen. So arbeitet es für den Rest unseres Körpers, fast wie ein Traktor. Aber was
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