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Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Titel: Die weiße Bestie: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helle Vincentz
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endlich bei der letzten Stunde des Tages angekommen– Englisch.
    Normalerweise war das eines von Sallys Lieblingsfächern, weil man sowohl lesen als auch schreiben musste und somit viel auf einmal lernte. Die Lehrerin begann jede Unterrichtsstunde damit zu fragen: » How are you? « , und dann antwortete die Klasse laut im Chor: » We are fine, thank you. « Sally war immer eine derjenigen, die am lautesten antworteten. Sie wollte gern, dass die Lehrerin hörte, wie gut sie in Englisch war.
    Heute antwortete sie überhaupt nicht.
    Englisch war jetzt eine hässliche Sprache.
    Sie begannen damit, laut aus dem Buch zu lesen, mit dem sie zu Hause geübt hatten. Die Schüler wechselten sich damit ab, von einem kleinen Jungen zu lesen, der in eine große Stadt zog und zum ersten Mal Schnee sah. Während die Klassenkameraden lasen, stellte sich Sally vor, wie es sein würde, in Schnee begraben zu werden. Ob man Luft holen könnte. Sie hatte Bilder von Schnee auf dem Gipfel des Kilimandscharo gesehen und stellte sich vor, wie es sein würde, wenn der ganze Schnee oben auf ihr landen würde, oder der ganze Berg.
    » Sally! «
    Sie sah verwirrt hoch.
    » Du warst ganz weit weg. Du bist dran mit Lesen « , sagte die Lehrerin.
    Sally schaute in das Buch. Sie ahnte nicht, bis wohin sie gekommen waren.
    » Seite sechzehn in der Mitte. Fang bei ›Peter made an angel in the snow.‹ an .«
    Sally fuhr mit dem Finger über die Seite und fand die Stelle. Sie öffnete den Mund, um zu lesen, aber es kam kein Wort heraus. Sie dachte an Peter. Daran, wenn ein fremder Mann kam und sich auf ihn drauflegte, während er wie ein Engel im Schnee lag.
    » Sally, stimmt etwas nicht? « , fragte die Lehrerin.
    Sally biss sich auf die zitternde Unterlippe und schüttelte den Kopf.
    » Sieh mich an « , sagte die Lehrerin.
    Aber Sally starrte weiter in das Buch und auf Peter, der allein im Schnee lag.
    » Sally, ich habe dich gebeten, mich anzusehen. « Die Stimme der Lehrerin klang jetzt streng.
    Sally merkte, wie sich die Tränen hinter ihren Augenlidern sammelten, zwang sich aber, den Kopf zu heben und die Lehrerin anzuschauen.
    » Ich… mir geht es nicht so gut « , flüsterte sie.
    » Das hättest du nur sagen müssen « , antwortete die Lehrerin und schaute Sally einen Augenblick lang an, bevor sie den Blick abwandte. » Ngumo, möchtest du anstelle von Sally lesen? «
    Als die Stunde vorüber war, nahmen die Schüler ihre Bücher und Bleistifte und verließen das Klassenzimmer. Sobald sie draußen waren, begannen der Lärm und das Spielen. Als Sally fast an der Tür angelangt war, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie zuckte zusammen.
    » Du musst dich nicht so erschrecken, Sally, ich möchte nur mit dir sprechen. « Die Lehrerin lächelte. » Geht es dir gut? «
    » Entschuldigung « , murmelte Sally.
    » Du musst dich nicht entschuldigen, ich möchte nur gern wissen, ob etwas nicht stimmt? «
    Sally schüttelte den Kopf.
    » Du warst auch gestern nicht hier, wie kann das sein? «
    » Ich musste meiner Mutter helfen. « Sally zupfte am Stoff ihres Rockes.
    Die Lehrerin drehte ihr den Rücken zu und wühlte in ihrer Tasche. Dann drehte sie sich wieder zurück zu Sally, eine Hand hinter dem Rücken.
    » Nun, ich habe auf jeden Fall eine Überraschung, und ich bin mir sicher, die wird dich richtig fröhlich machen. « Sie lächelte.
    Sally antwortete nicht. Sie wollte jetzt gern nach Hause.
    » Schau! « Die Lehrerin zog ein großes Buch hervor. Auf der Vorderseite war die Zeichnung einer Prinzessin, und das Buch sah nur ein klein bisschen abgenutzt aus. » Ich erinnere mich, wie gern du Märchen magst, und du sollst die Erste sein, die das neue Märchenbuch der Schule ausleiht! «
    Normalerweise hätte Sally in die Hände geklatscht und wäre auf und ab gehüpft. Jetzt hingen die Arme reglos am Körper herunter, und sie stand wie versteinert da. Sie starrte auf das Buch, das ihr die Lehrerin entgegenstreckte. Sie wusste, dass sie die Hand heben, das Buch nehmen und danke sagen müsste, aber es passierte nichts.
    Die Lehrerin sah sie prüfend an. Dann zuckte sie mit den Schultern.
    » Ich lege es hier auf das Pult, so kannst du ein bisschen hineinschauen und es mitnehmen, wenn du gehst. Wir sehen uns morgen, Sally. « Die Lehrerin drückte ihren Arm, nahm ihre Tasche und ging aus dem Zimmer.
    Sally schaute auf das Buch, streckte die Hand aus und blätterte die erste Seite um. Dann klappte sie es zu, drehte sich um und ging. Sie

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