Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
Art und Weise, wie wir es in Kenia gewohnt sind, die Dinge anzugehen « , sagte er leise.
» Was meinst du? « Caroline hörte, wie ihre Stimme spitz wurde.
» So… so direkt. Wir pflegen zuerst ein wenig zu plaudern und so .«
Sie biss verärgert die Zähne zusammen und lief schneller. Sie wusste, er hatte recht, aber war es wirklich notwendig, es laut auszusprechen?
Und eine Sache hatte sie auf jeden Fall begriffen. Sie hatte recht gehabt mit der Annahme, dass es eine Verbindung zwischen Charles Kariuki und Katari gab. Die Frage war nur, welche.
27
Sally drehte sich auf der harten Schlafmatte um. Sie kratzte an ihren nackten Beinen, aber sie hatte nicht die Kraft, das von Motten zerfressene, graue Tuch, das die Matte bedecken sollte, zu richten.
Sie lag in der Hütte und hörte den Klassenkameraden zu, die auf dem Weg in die Schule waren. Es war der dritte Tag in Folge, an dem Sally nicht in die Schule ging. Die Lehrerin war gestern vorbeigekommen, als der Schultag zu Ende gewesen war. Sie hatte Sally erzählt, wie sehr ihre Mitschüler sie vermissten, und sie daran erinnert, wie glücklich sie bisher darüber war, in die Schule gehen zu können. Sie hatte ein Buch dabeigehabt. Es lag immer noch unberührt auf dem kleinen, schiefen Tisch neben der Tür.
Sally wollte nicht mehr in die Schule. Nie mehr. Es war so peinlich gewesen, als sie in der Klasse laut vorlesen sollte und nicht gewusst hatte, wo sie waren.
Als keine Kinder mehr vorbeikamen, lag sie da und lauschte der Stille. Es dauerte einige Minuten, bevor diese unterbrochen wurde. Von einer Männerstimme. Sally wusste, sie hatte die Stimme schon einmal gehört, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, wo.
» Sie liegt hier drinnen « , hörte sie ihre Mutter sagen.
Sally rückte ganz dicht an die Wand und spannte alle Muskeln im Körper an.
Die Mutter kam in die Hütte, und hinter ihr folgte ein großer, dünner Mann mit krummem Rücken. Sally blinzelte in das Licht, das durch die offene Tür hereinfiel. Dann entspannte sie sich.
Es war der Bruder der Mutter, Sallys Onkel Julius.
» Mein kleines Sally-Mädchen « , brach es aus Onkel Julius heraus, und er ging zu ihr. Ein paar Schritte entfernt hockte er sich hin.
Sally blieb dicht an die Wand gedrängt.
» Wie geht es dir, mein Mädchen? «
Sie antwortete nicht.
» Wie ich höre, gehst du nicht mehr in die Schule .«
Er schaute sie prüfend an, und sie zuckte mit den Schultern.
Dann schüttelte er den Kopf.
» Ach, ich kann sehen, es ist schlimm. Was glaubst du, können wir da machen? « , sagte er und schaute zu Sallys Mutter hinauf.
Sie zwinkerten einander zu. Sally konnte sehen, dass es der Mutter schwerfiel, nicht zu lächeln.
Onkel Julius drehte sich wieder zu Sally um.
» Nun ja! Ich habe übrigens eine Überraschung, die dich sicher aufmuntern wird « , sagte er und lächelte.
Onkel Julius’ Zähne waren gleichmäßig und weiß, und Sally ging davon aus, dass alle Zahnärzte solche Zähne hatten.
» Deine Mutter hat mir erzählt, wie gern du in die Schule gehst. « Onkel Julius machte eine Pause. » Daher möchte ich dir anbieten, dafür zu bezahlen, dass du in diesem Jahr auf die Sommerschule gehen kannst! «
Das Lächeln um Onkel Julius’ Mund wurde breiter, und die Mutter schlug begeistert die Hände vor der Brust zusammen.
» Was sagst du, Sally, ist das nicht toll von deinem Onkel Julius? «
Sally hatte immer davon geträumt, in die Sommerschule zu gehen. Sie hatte davon sowohl von der Lehrerin als auch von einigen der älteren Kinder gehört, die das Glück gehabt hatten, daran teilzunehmen. Es hatte sich wie das Paradies angehört. Mindestens hundertmal hatte sie sich vorgestellt, wie fantastisch es sein müsste, die Erlaubnis zu bekommen, zwei Wochen des Sommers dafür zu verwenden, in einer Schule zu wohnen und nur zu lesen. Kein Brennholz holen, nicht fegen, nicht auf kleine Geschwister aufpassen– nur lesen und lernen.
Jetzt wusste sie nicht, was sie sagen sollte.
Der Onkel wartete einen Augenblick, um zu sehen, ob von Sally eine Reaktion kam. Dann erhob er sich und schaute auf sie herab. Durch die Brille mit dem Goldgestell konnte Sally seine schmalen Augen sehen; jetzt blickten sie streng.
» Aber das setzt natürlich voraus, dass du die Prüfungen gut machst « , sagte er. » Deine Mutter sagt, sie beginnen in der nächsten Woche, und ich will kein B oder C sehen. Nur A .«
Prüfungen.
Die hatte Sally vollkommen vergessen.
» Ich… ich glaube
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