Die Weiße Burg
trieb sein Gürtelmesser in einen Sack und durchschnitt die robusten Jutefasern. Eine Flut Gerstenkorn strömte heraus. Und - wie deutlich im Schein von Annouras hellem Licht zu sehen war - sich windende schwarze Flecken. Kornkäfer, und zwar fast so viele, wie es Gerstenkörner gab. Perrin wünschte sich, sein Nackenhaar würde aufhören, sich sträuben zu wollen. Die Kälte hätte mehr als ausreichen müssen, die Kornkäfer zu töten.
Dieser eine Sack war ein Beweis, und seine Nase kannte jetzt den Geruch der Kornkäfer, aber er ging zu einem anderen Stapel, und dann noch einem und noch einem, und jedes Mal schlitzte er einen Sack auf. Jeder entließ einen Strom aus hellbraunem Gerstenkorn und schwarzen Kornkäfern.
Die Kaufleute standen dicht zusammengedrängt im Eingang, das Tageslicht im Rücken, aber Annouras Licht beleuchtete ihre Gesichter. Besorgte Gesichter. Verzweifelte Gesichter.
»Wir würden gern jeden Sack durchsieben, den wir verkaufen«, stammelte Frau Arnon. »Für einen Aufpreis...«
»Für die Hälfte des letzten Preises, den ich anbot«, unterbrach Berelain sie scharf. Sie rümpfte angewidert die Nase und hob die Röcke, um den Kornkäfern aus dem Weg zu gehen, die auf dem Boden herumkrabbelten. »Ihr werdet nie alle erwischen.«
»Und keine Hirse«, sagte Perrin grimmig. Seine Männer brauchten Essen, und die Soldaten auch, aber die Hirsekörner waren kaum größer als die Kornkäfer. Egal, wie lange sie auch sieben würden, er würde trotzdem zu gleichen Teilen Kornkäfer und Hirse mitbringen. »Wir nehmen stattdessen mehr Bohnen. Aber die werden auch gesiebt.«
Plötzlich kreischte auf der Straße jemand auf. Keine Katze und auch keine Ratte, sondern ein Mann voller Entsetzen. Perrin war sich nicht einmal bewusst, die Axt gezogen zu haben, bis er den Stiel in seiner Hand spürte, als er sich an den Kaufleuten im Eingang vorbeidrängte. Sie standen dicht beisammen, befeuchteten sich die Lippen und wollten nicht einmal nachsehen, wer da geschrien hatte.
Kireyin stand an der Wand eines gegenüberliegenden Lagerhauses, der funkelnde Helm mit den weißen Federn lag neben seinem Weinbecher auf dem Straßenpflaster. Der Mann hatte das Schwert zur Hälfte aus der Scheide gezogen, aber er schien wie gelähmt und starrte mit hervorquellenden Augen auf die Mauer des Gebäudes, aus dem Perrin gerade herausgekommen war. Perrin berührte ihn am Arm, und er zuckte zusammen.
»Da war ein Mann«, sagte der Ghealdaner stockend. »Er war einfach da. Er hat mich angesehen und...« Kireyin rieb sich mit der Hand über das Gesicht. Trotz der Kälte glitzerte Schweiß auf seiner Stirn. »Er ging durch diese Mauer. Das hat er getan. Ihr müsst mir glauben.« Jemand stöhnte; vermutlich einer der Kaufleute.
»Ich habe den Mann auch gesehen«, sagte Seonid hinter Perrin, und jetzt war er an der Reihe zusammenzuzucken.
An diesem Ort war seine Nase sinnlos!
Die Aes Sedai warf der Mauer, auf die Kireyin gezeigt hatte, einen letzten Blick zu und trat dann mit deutlich spürbarem Widerwillen von ihr weg. Ihre Behüter waren große Männer und überragten sie, aber sie blieben nur weit genug von ihr weg, um genügend Platz zum Ziehen der Schwerter zu haben. Obwohl sich Perrin nicht vorstellen konnte, was die grimmig dreinblickenden Behüter eigentlich bekämpfen wollten, falls es Seonid ernst war.
»Lügen fällt mir sehr schwer«, sagte Seonid trocken, als er seinen Zweifel zum Ausdruck brachte, aber ihr Ton wurde schnell so ernst wie ihre Miene, und ihre Augen blickten so intensiv, dass sie allein Perrin nervös machten.
»In So Habor gehen die Toten um. Lord Cowlin floh aus Furcht vor dem Geist seiner Frau aus der Stadt. Anscheinend gab es Zweifel über die Art, wie sie gestorben ist. Kaum ein Mann oder eine Frau in dieser Stadt hat keinen Toten gesehen, und viele haben mehr als einen gesehen. Manche behaupten, Menschen seien durch die Berührung eines Toten gestorben. Ich kann das nicht bestätigen, aber Leute sind aus Angst gestorben. Niemand geht in So Habor nachts auf die Straße oder betritt unangekündigt ein Zimmer. Leute schlagen mit allem, was gerade zur Hand ist, auf Schatten ein, und manchmal haben sie einen Ehemann, eine Ehefrau oder Nachbarn tot zu ihren Füßen gefunden. Das ist keine Hysterie oder eine Geschichte, um Kinder zu erschrecken, Lord Perrin. Ich habe noch nie etwas dergleichen gehört, aber es ist real. Ihr müsst eine von uns hier lassen, damit wir tun können, was in unserer Macht
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