Die weiße Frau von Devils Rock
enttäuscht über Charlenes Reaktion, dass er den Rest der Fahrt schwieg. Immer wieder trieb er das Pferd an, denn er wollte seine Mission so schnell wie möglich hinter sich bringen und dabei versuchen, sich seine negativen Gefühle nicht zu deutlich anmerken zu lassen.
"Ich wollte dich nicht verletzen, Marvin", sagte sie nach einer Weile bedrückt, als sie die Stille nicht mehr ertragen konnte. "Es ist nur etwas schwierig für mich im Moment. Ashton hat große Probleme mit sich selbst, und ich weiß nicht, wie ich ihm helfen könnte."
Marvin warf ihr einen forschenden Seitenblick zu. "Willst du drüber reden?"
Sie zuckte die Schultern. "Ich habe schon mit Angela darüber gesprochen", antwortete sie. "Sie hat mich an dich verwiesen", fügte sie mit einem kaum merklichen Lächeln hinzu. "Aber ich glaube nicht, dass du damit etwas anfangen kannst. Es ist nur – ich weiß nicht, wie ich mit der Veränderung umgehen soll, die gerade mit Ashton stattfindet. Seit wir hier sind, kenne ich meinen Mann nicht wieder. Er ist so – launisch."
"Vielleicht fehlt ihm seine gewohnte Umgebung. So etwas gibt es", gab der junge Arzt zu bedenken. "Manche Menschen werden nervös und ungehalten, wenn man ihnen ihr gewohntes Umfeld entzieht. Selbst wenn es ihre eigene Entscheidung ist, etwas zu ändern, besteht die Möglichkeit, dass sie mit Zornesausbrüchen oder Verzweiflung darauf reagieren."
"Ist das wirklich wahr?", fragte die Frau hoffnungsvoll. "Das würde natürlich einiges erklären. Und wie geht das dann weiter?"
"Wie meinst du das?"
"Kann man so etwas heilen?"
"Meistens verlieren sich diese Anfälle oder wie immer du das nennen willst, mit der Zeit von selbst. Aber eine Prognose kann man natürlich nicht stellen. Magst du mir erzählen, was mit Ashton ist? Vielleicht kann ich mir dann ein genaueres Bild von der Situation machen."
Es fiel Charlene nicht leicht, dem Arzt von dem seltsamen, beinahe furchterregenden Verhalten ihres Mannes zu erzählen. Sie verschwieg auch nicht, dass sie schon daran gedacht hatte, es würde nicht alles mit rechten Dingen zugehen. Ashton hatte manches Mal einen Blick, der ihr sehr fremd war.
"Wenn etwas passiert, mit dem du nicht klar kommst, dann lass es mich wissen. Ich bin immer für dich, für euch da, vergiss das bitte nicht." Für einen kurzen Moment legte Marvin seine Hand auf die ihre.
Charlene bemerkte verwundert, wie gut ihr diese kleine Berührung tat. Alle Angst fiel von ihr ab und verwandelte sich wie durch ein Wunder in einen Hoffnungsschimmer. "Danke", sagte sie nur und kämpfte mit den Tränen.
Dragon House wirkte schon aus der Ferne wie ein Fremdkörper in dieser grünen Landschaft. Die Wiesen waren hügelig, und immer wieder wurde die intensive Farbe von grauen Gesteinsbrocken unterbrochen, die aussahen, als hätte ein Übermensch hier sein Spielzeug verloren.
"Ich hoffe sehr, ihr werdet euch hier wohl fühlen", bemerkte Marvin, als er seiner Begleiterin vom Wagen half. "Es sieht im Moment noch unordentlich aus und unbewohnbar. Aber wenn erst einmal geputzt ist, wirst du Dragon House lieben", fügte er nicht ohne Stolz hinzu.
"Hoffen wir es", gab Charlene zweifelnd zu. "Vor allem wünsche ich mir, dass endlich alles in Ordnung kommt und ich meine Familie wieder habe. Zuerst das mit Christina, und jetzt verhält sich Ashton ebenfalls unbegreiflich für mich."
"Lass ihm etwas Zeit, Charlene", beschwichtigte Marvin sie. Dann hatten sie auch schon Dragon House erreicht. Der Arzt sprang vom Wagen und half dann seiner Begleiterin beim Absteigen. "Ich finde, das Haus ist schön geworden. Zwar gibt es nicht sehr viel Komfort, und das Wasser musst du auch aus dem Brunnen holen. Aber das kann ja Ashton machen."
Für einen kurzen, unvergesslichen Augenblick durfte er die Frau im Arm halten, die bereits einem anderen Mann gehörte. Es war ein aufregendes Gefühl für Marvin und beglückend zugleich. Doch es war sehr schnell wieder vorbei.
"Danke", meinte Charlene nur und ließ ihren Blick prüfend über die Fassade des alten Hauses wandern. "Und wir haben alle Platz auf nur einer Etage?", fragte sie zweifelnd.
"Es sind drei Zimmer, die Küche und Sanitätsräume. Dann ist da noch ein großer Gewölbekeller, was in dieser Gegend etwas ganz Besonderes ist. Und der Dachboden beherbergt von den Vormietern die Reste, die diese hier vergessen haben."
"Ich würde gern hinein gehen und
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