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Die weiße Frau von Devils Rock

Die weiße Frau von Devils Rock

Titel: Die weiße Frau von Devils Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Withcomb
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beschlossen, niemandem etwas von dieser Erscheinung zu sagen. Inzwischen war er sogar schon der Meinung, dass er sich das alles wohl  nur eingebildet hatte.
       Wie erwachend schaute Ashton ihn an. "Wie – meinst du das?"
    Verlegen blickte der Arzt zur Seite. Sollte er Ashton sagen, was er gesehen hatte? Er hatte nicht das Gefühl, dass sein Gegenüber mit dieser Erzählung etwas anfangen konnte. Und doch war da dieser Drang in ihm, endlich einmal über dieses seltsame Erlebnis zu sprechen.
       "Ich – habe auch schon etwas Ähnliches erlebt", bekannte er leise. "Es ist schon einige Wochen her, war im frühen Frühling", begann er zögernd und berichtete stockend von der Frau, die sich nach einer Weile in Nichts aufgelöst hatte.
       Staunend hatte Ashton ihm zugehört. In seinen Augen war Ratlosigkeit und Unverständnis zu lesen. Und doch nickte er immer wieder.
       "Was sagst du dazu?", fragte Marvin, als er geendet hatte. "Ist das, was dich so sehr verwirrt, meinem ähnlich?"
       Nach einer Weile nickte der Mann. "Ich glaube schon", gab er zögernd zu. "Allerdings weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Willst du mir damit sagen, dass du an derselben Krankheit leidest wie ich?"
       Marvin schüttelte den Kopf. "Was ich dir jetzt sage wird dir vermutlich wie die Fantasien eines Geisteskranken erscheinen. Aber ich bitte dich, denk darüber nach."
       "Ich verspreche es dir." Ein kleiner Hoffnungsschimmer glomm in Ashtons Augen auf.
    "Hier gibt es seit mehr als hundert Jahren die Sage von der weißen Frau von Devils Rock. Diese Frau erscheint immer dann, wenn jemand aus der Gegend eines gewaltsamen Todes stirbt. Niemand weiß so genau, wer diese Frau ist, oder besser, wer sie zu Lebzeiten war. Denn dass diese Frau wirklich nur eine Erscheinung ist, das ist bekannt." Marvin schwieg einen Moment lang, um Ashton Gelegenheit zu geben, das eben gehörte zu verarbeiten.
       "Du glaubst, diese Frau geht um, weil ich umgebracht werden soll? Oder nein, weil ich mich selbst umbringen werde?", fragte Ashton entsetzt. Mit keinem Wort zweifelte er an dem Wahrheitsgehalt dieser Sage.
       "Ich weiß, ehrlich gestanden, nicht mal, was ich glauben soll", antwortete Doktor Rowland. "Jetzt bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich mir das nicht nur eingebildet habe."
       Ashton schüttelte den Kopf. "Du hast es dir nicht eingebildet", antwortete er leise, ohne den Blick zu heben. "Die Frau, die du beschreibst gleicht der Frau, die ich gesehen habe. Was hat das alles zu bedeuten, Marvin?", fragte er gequält.
       "Ich weiß es nicht." Auch Marvin war ratlos.
       "Manchmal denke ich, ich musste mit meiner Familie nach Glannagan kommen, weil wir hier eine Aufgabe haben oder irgendetwas, das getan werden muss."
       "Du meinst, eine Schuld, die aufgelöst werden soll", vermutete Marvin.
       "Als ich noch ein Junge war, vielleicht vierzehn Jahre alt, hatte ich ein Erlebnis, das ich nie begriffen habe. Jetzt ist es mir wieder eingefallen, und wenn ich es mit den Vorkommnissen der letzten Wochen vergleiche bekommt es langsam ein Gesicht."
       "Magst du es mir erzählen?"
       Ashton überlegte eine Weile, dann nickte er. "Ich erwachte nachts von einer sanften Stimme. Es war nicht die Stimme meiner Mutter. Aber ich kannte die Frau, die an meinem Bett stand und auf mich herunter schaute."
       "Hast du nicht nach deiner Mutter gerufen?"
       "Warum hätte ich?" Ashton schüttelte den Kopf. "Ich empfand keine Angst vor dieser Frau, die mich glücklich anlächelte. Es war eher so etwas wie ein Schuldgefühl ihr gegenüber, so, als hätte ich großes Unrecht auf mich geladen, ohne zu wissen, wann und wie ich es getan hätte."

   "Kinder und vor allem Jugendliche haben öfter Phantasien, die sie sich nicht erklären können", warf Marvin ein. "Vielleicht hattest du so einen intensiven Traum, dass du später ihn nicht von der Wirklichkeit unterscheiden konntest."
       "Nein, das ist es nicht", widersprach der Mann und schüttelte den Kopf. "Ich weiß noch, dass ich die Hand nach dieser Frau ausstreckte und sie um Verzeihung bat."
       "Du hast was?"
       "Ich nahm ihre Hand und hielt sie ganz lange fest. Sie fühlte sich nicht an, als wäre sie aus Fleisch und Blut, aber sie war dennoch irgendwie real, kühl und zart wie ein Hauch. Ich konnte sie spüren."
       "Also keine Erscheinung."
       "Sie begann auf einmal, sich vom Herz her aufzulösen. Ich bat sie zu bleiben, war so traurig, dass ich zu

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