Die weiße Frau von Devils Rock
noch unheimlicher als dieser hier. Auf jeden Fall ist er feuchter."
Sie hatte nicht zuviel versprochen. Die Wände glänzten vor Nässe im Schein der Öllampe, und außer einer alten Holzkiste, die ebenfalls bald zu zerfallen drohte, gab es hier nichts, das man ansehen konnte. Von der Decke hingen dicke Spinnweben mit mumifizierten Spinnen, die bereits von weißem Schimmel überzogen waren, was ihnen ein groteskes Aussehen verlieh.
"Haben wir jetzt alle Räume gesehen?", fragte Lady Angela enttäuscht.
"Einen gibt es noch", murmelte Charlene. "Aber dazu hab ich keinen Schlüssel. Ich war da noch nie."
"Das gibt es doch nicht."
"Komm, ich zeig dir die Tür. Sie ist hier um die Ecke." Charlene lief eilig voraus, Angela folgte ihr. Sie war froh, dass Christina sich sehr müde gefühlt und sich eine Weile hingelegt hatte.
"Seltsam, diese Türe sieht ziemlich neu aus. Wo könnte der Schlüssel dazu sein?" Sie versuchte, die Klinke herunter zu drücken, doch sie war tatsächlich abgeschlossen.
"Ich werde ihn noch einmal suchen. Vielleicht weiß Ashton, wo er ist."
"Dann hast du ihn bis jetzt noch nicht vermisst." Angela lächelte. "Das gibt mir Hoffnung, dass er irgendwo im Haus ist. Lass uns wieder nach oben gehen. Unser kleines Abenteuer war nicht sehr erfolgreich", fügte sie enttäuscht hinzu. "Dafür jedoch unser Ausflug nach Lairg umso ereignisreicher. Ich werde mit Ian darüber sprechen. Er kann in den kirchlichen Aufzeichnungen nachsehen."
"Kann ich euch beide allein lassen?" Zweifelnd blickte Angela Charlene an. Sie musste zurück, war schon länger geblieben als geplant.
"Danke, dass du hier warst, Angela", sagte Charlene und schloss die Freundin für einen kurzen Moment in die Arme. "Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich dich nicht hätte."
"Wenn du Hilfe brauchst, dann komm einfach", antwortete Angela und legte ihre Hand für einen Moment lang auf Charlenes Arm. Es sollte eine vertraute Geste sein, die die Verbundenheit der beiden Frauen signalisierte.
"Das werde ich tun. Danke, Angela." Charlene wartete noch, bis Angela ihren Wagen bestiegen hatte. Sie schnalzte mit der Zunge, und der sattbraune Wallach setzte sich langsam in Bewegung. Charlene winkte sie ihr nach, bis der Wagen um die nächste Wegbiegung verschwunden war.
Jetzt spürte Charlene wieder die Einsamkeit, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie betrat das Haus, das nur aus Stille zu bestehen schien. Müde setzte sie sich an den Tisch und legte ihre Hand auf das alte Tagebuch. Eigentlich hatte sie eine Weile darin blättern wollen, doch mit einem Mal war es ihr gleichgültig, was darin stand. Sie legte ihr Gesicht in beide Hände und begann zu weinen.
22. Kapitel
Als Dr. Marvin Rowland, von Glannagan kommend, um die Wegbiegung fuhr, sah er in der Ferne den Einspänner von Angela McGregor. Er ahnte Schlimmes.
Was war geschehen? Warum war Angela bei Charlene gewesen, während Ashton in seiner Praxis lag und seinen Rausch ausschlief? Er schnalzte mit der Zunge, um seinen Wallach anzuspornen. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, er konnte es kaum mehr erwarten, endlich am Ziel zu sein.
Es nieselte noch immer, als er vom Wagen sprang. Er klopfte, doch im Haus rührte sich nichts. Seine Angst wuchs. Zu seiner Überraschung war die Haustüre nicht fest eingerastet, so dass er selbst öffnen konnte. Er zögerte zuerst noch, doch dann trat er ein. Vielleicht hatte Charlene ihn nicht gehört, weil sie Hilfe brauchte.
Die Tür zu Ashtons Arbeitszimmer war ebenfalls nur angelehnt. Er lauschte und hörte leise Geräusche, die er nicht irgendetwas zuordnen konnte. Vorsichtig schob er die Türe einen Spalt auf.
Charlene saß, über den Schreibtisch gebeugt, und hatte noch immer das Gesicht in den Händen verborgen. Ihre Schultern zuckten.
Leise trat Marvin auf sie zu.
"Bitte erschrick nicht, Charlene", sagte der Arzt leise und legte eine Hand auf ihre Schulter, als sie nicht reagierte. "Ich bin es, Marvin."
Ihr Schluchzen verstummte. Sie nahm die Hände vom Gesicht und drehte sich zu ihm um. "Marvin? Ich hab dich nicht kommen hören." Sie wischte sich das Gesicht ab.
"Was ist denn passiert, Charlene?", fragte er erschrocken. "Kann ich dir irgendwie helfen?"
Sie schüttelte den Kopf. "Mir kann niemand helfen", antwortete sie stockend. "Ich weiß nicht mehr weiter." Sie wich seinem Blick aus.
Marvin nahm ihren Arm
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