Die weiße Frau von Devils Rock
des Mannes geflüchtet, der jetzt neben ihr saß. Doch das konnte sie nicht. Einmal, weil sie verheiratet war, und außerdem war sie der Meinung, den Anfang müsse noch immer der Mann machen.
Marvin jedoch machte keine Anstalten, ihr näher zu kommen. Distanziert saß er neben ihr und gab sich als der ernsthafte Freund, auf den sich jeder, sowohl Ehemann als auch Ehefrau, verlassen konnte.
"Die Schattenfrau, wi e die Erscheinung von Devils Rock schon lange genannt wird, ist angeblich Serena, von der niemand weiß, wo sie geblieben ist nach dem Tod ihres Mannes. Sie verschwand wenige Tage vor ihm und ward nicht mehr gesehen."
Charlene rückte ein wenig von ihm ab. "Woher weißt du das?", fragte sie verwirrt.
"Es wird erzählt."
"Warum ist Ashton zu dir gekommen und nicht nach Hause? Ich habe mir Sorgen gemacht."
"Ich glaube, ich muss dir Abbitte leisten. Anfangs dachte ich, du würdest sein Verhalten überbewerten. Aber seit heute bin ich überzeugt davon, dass er Hilfe braucht."
"Ich habe Angst, Marvin. Wie soll es weiter gehen?"
"Ich lass dich nicht im Stich", antwortete der Arzt. "Gemeinsam werden wir einen Weg finden." Marvin spürte die Nähe dieser zauberhaften Frau, und er konnte sein Herz nicht mehr halten. "Wenn du deinen Mann wirklich liebst, dann wird er es schaffen", sagte er, nur um überhaupt etwas zu sagen.
"Ich weiß es nicht. Inzwischen weiß ich gar nichts mehr." Sie schaute ihn an. "Was ist Liebe? Kannst du mir das erklären?"
Ihre Worte verwirrten ihn. Was sollte er sagen? Da saß er neben dem wunderbarsten Wesen, das er je getroffen hatte, und sein Herz flog ihr nur so zu. Und sie fragte ihn, ob er ihr die Liebe erklären könnte. Dabei war sie die Frau seines Freundes. "Die Liebe kann man nicht erklären", begann er zögernd. "Wenn man ihr begegnet, dann weiß man es."
"Ich liebe Ashton nicht mehr." Charlene legte eine Hand vor ihre Augen. "Manchmal denke ich, ich werde verrückt. Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich niemals zu dieser Reise meine Zustimmung gegeben. Aber damals sah ich das als einzige Chance für Christina an."
"Du bist eine wundervolle Mutter", gab Marvin zu. "Wenn ich nur wüsste, wie ich euch helfen könnte. Ich weiß nur eines, nämlich dass Ashton dringend in fachlich geschulte Hände gehört, ehe noch etwas Schlimmeres geschieht."
"Du meinst, in eine Anstalt?", vergewisserte sich Charlene entsetzt. "Er ist doch nicht verrückt."
"Das hab ich nicht gesagt."
"Aber gedacht." Sie begann wieder zu schluchzen. "Ich hab das auch schon öfter gedacht", gab sie verzweifelt zu. "Warum ist er auf einmal so? Früher hatte er nie solche … solche Anfälle."
"Ich kann es dir nicht sagen, Charlene. Vielleicht ist es eine Gehirnkrankheit", überlegte er. "Da kann man nicht viel machen. Er braucht Ruhe und noch mal Ruhe. Ich glaube, in unsere Einsamkeit zu kommen, war wirklich keine so gute Idee. Aber nun ist es so, und wir müssen versuchen, das Beste draus zu machen." Er klang ehrlich besorgt.
"Wir werden nach London fahren. Dort kann man ihm bestimmt helfen." Als sie diesen Entschluss gefasst hatte, war ihr etwas besser. "Danke, dass du da bist."
Marvin beugte sich ein wenig vor, damit er in ihr Gesicht sehen konnte. "Ich denke heute schon mit Grausen an den Tag, an dem ihr wieder abreist. Das kann ich mir jetzt noch gar nicht vorstellen, dich nicht mehr sehen zu dürfen."
Charlene dachte nach, das konnte man an ihrem wechselnden Mienenspiel sehen. Dann nickte sie. "Ich kann es mir nicht vorstellen, dich nicht mehr sehen zu können, wenn ich es brauche", gab sie zu. Sie merkte auf einmal, wie unendlich wohl sie sich in seiner unmittelbaren Nähe fühlte. So etwas hatte sie bei Ashton noch nie gespürt.
"Ich denke, wir werden nächste Woche abreisen", sagte sie aus ihren Gedanken heraus. Das wird zumindest für mich besser sein, wenn ich nicht mehr hier bin."
"Wie meinst du das?"
"Muss ich dir das wirklich noch sagen, Marvin?" Sie rückte ein wenig von ihm ab. "Für uns beide wird es sicher besser sein."
"Für mich nicht. Ich weiß, ich sollte das nicht sagen, Charlene, aber du bist für mich eine wunderbare Frau, die ich nicht mehr missen möchte. Natürlich weiß ich, dass unsere gemeinsame Zeit bald ein Ende haben wird, aber daran mag ich jetzt nicht denken."
"Genau das meine ich." Die Frau war jetzt wieder ganz gefasst. "Ich
Weitere Kostenlose Bücher