Die weiße Garde
russische Armee auf? Der Feind steht vor der Tür, und die bilden Freiwilligentrupps und Stäbe? Paßt auf, paßt nur auf!«
»Du verbreitest Panik«, sagte Karausche ruhig.
Turbin wurde böse.
»Ich? Panik? Ihr wollt mich bloß nicht verstehen. Ich verbreite keine Panik, ich möchte nur sagen, was ich auf dem Herzen habe. Panik? Sei unbesorgt. Ich habe schon beschlossen, morgen gehe ich in deine Division, und wenn euer Malyschew mich nicht als Arzt nimmt, gehe ich als einfacher Soldat. Ich hab’s satt! Keine Panik!« Ein Stück Gurke blieb ihm im Halse stecken, er hustete heftig und rang nach Luft, Nikolka schlug ihm auf den Rücken.
»Richtig!« Karausche bestätigte das Gesagte mit einem Fausthieb auf den Tisch. »Zum Teufel mit dem einfachen Soldaten, wir nehmen dich als Arzt.«
»Morgen gehen wir alle zusammen«, murmelte der betrunkene Myschlajewski, »alle zusammen. Das ganze kaiserliche Alexander-Gymnasium. Hurra!«
»Er ist ein Dreckskerl«, fuhr Turbin haßerfüllt fort, »er spricht doch diese verfluchte Sprache gar nicht. Stimmt’s? Vorgestern frage ich diese Kanaille Doktor Kurizki, der kann seit November vorigen Jahres plötzlich kein Russisch mehr. Früher Kurizki, jetzt ukrainisch Kuryzky. Ich frage ihn also, wie ›Kater‹ auf ukrainisch heißt, das wußte er noch, aber als ich ihn frage, wie der Wal heißt, glotzt er mich an und schweigt. 1 Jetzt grüßt er mich nicht mehr.«
Nikolka lachte schallend und sagte:
»Das Wort ›Wal‹ gibt es im Ukrainischen nicht, weil es in der Ukraine keine Wale gibt, in Rußland aber gibt es von allem viel. Im Weißen Meer gibt es Wale.«
»Die Mobilmachung …«, fuhr Turbin boshaft fort. »Schade, daß ihr nicht gesehen habt, was gestern in den Revieren los war. Alle Devisenschieber wußten drei Tage vorher von der Mobilmachung. Starkes Stück, was? Und jeder hatte einen Bruch oder eine angegriffene rechte Lungenspitze, und wer keine Lungenspitze hatte, der war einfach wie vom Erdboden verschwunden. Das ist ein böses Zeichen, meine Lieben. Wenn in den Kaffeehäusern schon vor der Mobilmachung geflüstert wird und keiner hingeht, steht es schlecht um die Sache. Oh, diese Kanaillen! Wenn er im April, statt dieser Komödie mit der Ukrainisierung, angefangen hätte, die Offizierskorps aufzustellen, könnten wir jetzt Moskau einnehmen. Versteht doch, er hätte hier in der STADT eine fünfzigtausend Mann starke Armee aufstellen können, und was für eine! Eine Elitetruppe wäre das gewesen, weil alle Junker, alle Studenten, alle Gymnasiasten und Offiziere, und es sind Tausende in der STADT, alle mit Freuden gegangen wären. Kein Petljura wäre in der Ukraine, und Trotzki in Moskau hätten wir wie eine Fliege breitgeklatscht. Es ist gerade die richtige Zeit: Sie sollen dort schon Katzen fressen. Der Hundesohn hätte Rußland retten können.«
Turbins Gesicht bedeckte sich mit roten Flecken, die Worte flogen ihm zusammen mit Speicheltropfen aus dem Mund. Seine Augen glühten.
»Du … solltest nicht Arzt, sondern Verteidigungsminister sein, wirklich wahr«, sagte Karausche. Er lächelte ironisch, aber Turbins Rede gefiel ihm, sie feuerte ihn an.
»Auf einer Kundgebung ist Alexej unentbehrlich als Redner«, sagte Nikolka.
»Nikolka, ich habe dir schon zweimal gesagt, daß du kein Witzbold bist«, sagte Turbin. »Trink lieber Wein.«
»Versteh doch«, sagte Karausche, »die Deutschen hätten die Aufstellung der Armee gar nicht zugelassen vor Furcht.«
»Das ist nicht wahr!« rief Turbin mit hoher Stimme. »Man braucht nur einen Kopf auf den Schultern zu haben, und man hätte sich mit dem Hetman immer einigen können. Den Deutschen hätte man erklären müssen, daß wir für sie ungefährlich sind. Es ist aus, wir haben den Krieg verloren! Jetzt haben wir etwas, was viel schrecklicher ist als der Krieg, als die Deutschen, als alles auf der Welt. Wir haben Trotzki. Den Deutschen hätte man sagen müssen: Braucht ihr Brot, Zucker? Bitte, nehmt, freßt, verpflegt eure Soldaten. Erstickt daran, aber helft uns. Laßt uns eine Armee aufstellen, es ist auch für euch besser, wir helfen euch, in der Ukraine Ordnung zu halten, damit unsere Gottesträger nicht die Moskauer Krankheit bekommen. Und hätten wir jetzt in der STADT eine russische Armee, dann wären wir mit einer eisernen Wand gegen Moskau abgeschirmt. Und Petljura …« Turbin hustete heftig.
»Halt!« Scherwinski erhob sich. »Warte. Ich muß etwas zur Verteidigung des Hetmans sagen. Es stimmt, er hat
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