Die weiße Garde
befähigt, zu kämpfen und zu töten, sondern ein feiger, zischender, sich im Dunkel hinter der Ecke versteckender Haß. Sie haßten nachts, wenn sie mit unklarer Unruhe einschliefen, und am Tag in den Restaurants, wenn sie in den Zeitungen lasen, daß die Bolschewiken Offiziere und Bankiers mit der Mauserpistole durch Genickschuß töteten und daß in Moskau mit Rotzkrankheit infiziertes Pferdefleisch verkauft werde. Alle haßten die Bolschewiken – Kaufleute, Bankiers, Industrielle, Juristen, Schauspieler, Hausbesitzer, Kokotten, Mitglieder des Staatsrates, Ingenieure, Ärzte und Schriftsteller.
Da waren die Offiziere. Auch sie flüchteten vom Norden und Westen, wo einst die Front lag, in die STADT, es waren ihrer sehr viele, und ihre Zahl wuchs ständig. Sie setzten ihr Leben ein, denn für sie, die meist kein Geld besaßen und das unauslöschliche Siegel ihres Berufes trugen, war es am schwierigsten, falsche Papiere zu beschaffen und die Grenze zu passieren. Dennoch gelang es ihnen, durchzukommen und die STADT zu erreichen, mit gehetzten Blicken, verlaust und unrasiert, ohne Achselklappen, und ein Plätzchen zu finden, wo sie essen und leben konnten. Unter ihnen waren Alteingesessene der STADT, die aus dem Krieg in ihre Wohnnester zurückkehrten mit dem gleichen Wunsch wie Alexej Turbin – sich zu erholen und sich wieder ein nicht militärisches, gewöhnliches menschliches Leben einzurichten, aber auch Hunderte und aber Hunderte Fremde, die weder in Petersburg noch in Moskau bleiben konnten. Manche – Kürassiere, Kavalleristen und Gardehusaren – kamen leicht an die Oberfläche des trüben Schaumes der aufgestörten STADT. Die Hetmaneskorte trug phantastische Schulterklappen, und an den Hetmantischen fanden bis zu zweihundert Menschen mit öligen Scheiteln und faulen gelben Zähnen mit blinkenden Goldplomben Platz. Wen die Eskorte nicht beherbergen konnte, den beherbergten teure Pelze mit Biberkragen und halbdunkle, eichengetäfelte Wohnungen in Lipki, dem vornehmsten Stadtteil, oder Restaurants und Hotels.
Dann gab es die Armeestabskapitäne aus den erledigten und aufgelösten Regimentern, die aktiven Armeehusaren wie Oberst Nai-Turs, Hunderte von Fähnrichen und Unterleutnants, ehemalige Studenten wie Stepanow-Karausche, durch Krieg und Revolution aus den Lebensangeln gehoben, und die Leutnants, auch ehemalige Studenten, die aber der Universität für immer verloren waren, wie Viktor Myschlajewski. In abgeschabtem grauem Militärmantel, mit noch nicht verheilten Wunden, mit dem Schatten der Achselklappen auf den Schultern kamen sie in die STADT und schliefen bei ihren eigenen oder bei fremden Familien auf Stühlen, deckten sich mit dem Militärmantel zu, tranken Wodka, liefen umher, mühten sich ab und kochten vor Wut. Diese letzteren haßten die Bolschewiken mit dem heißen und aufrichtigen Haß, der zu Prügeleien aufstachelt.
Es gab die Junker. Zu Beginn der Revolution hatte die STADT noch vier Junkerschulen – eine Pionier-, eine Artillerie- und zwei Infanterieschulen. Sie hörten auf zu existieren, fielen im Knattern von Soldatenschüssen auseinander und warfen verkrüppelte, gerade fertige Gymnasiasten oder frisch gebackene Studenten auf die Straße, keine Kinder mehr und noch keine Erwachsenen, keine Militärs und keine Zivilisten, solche wie den siebzehnjährigen Nikolka Turbin.
»Das Ganze ist natürlich sehr nett, und über allem herrscht der Hetman. Aber, bei Gott, ich weiß nicht und werde wahrscheinlich bis an mein Lebensende nicht erfahren, was dieser Herrscher ohnegleichen mit seinem Titel, der mehr ins siebzehnte als ins zwanzigste Jahrhundert paßt, eigentlich darstellt.«
»Wer ist er überhaupt, Alexej Wassiljewitsch?«
»Ein General der Gardekavallerie, ein großer, reicher Gutsbesitzer, er heißt Pawel Petrowitsch.«
Durch eine sonderbare Tücke des Schicksals und der Geschichte fand seine Wahl im April des berühmten Jahres im Zirkus statt. Späteren Geschichtsschreibern wird dieser Umstand reichlich Stoff für spöttische Bemerkungen liefern. Den Bürgern aber, besonders denen, die in der STADT ansässig waren und die ersten Explosionen der inneren Unruhen erlebt hatten, war weder nach Spott noch nach Überlegungen zumute. Die Wahl wurde in verblüffender Eile durchgeführt – Gott sei Dank. Der Hetman trat die Regierung an – wunderbar. Hauptsache, auf dem Markt gab es Fleisch und Brot und auf den Straßen keine Schießerei, und Gott bewahre uns vor den Bolschewiken, und
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