Die weiße Garde
verbreiteten die Glühlampen in den Glaskugeln leise zischend rosa Licht. Im Saal war es bedeutend wärmer geworden, denn den ganzen Abend und die ganze Nacht loderten Flammen in den altertümlichen Öfen der anliegenden Bibliotheksräume.
Unter Myschlajewskis Kommando hatten die Junker mit den »Vaterländischen Blättern« und der »Lesebibliothek« auf das Jahr 1863 die weißen Öfen angeheizt und dann die ganze Nacht hindurch alte Schulbänke mit Beilen zerhackt und verbrannt. Nachdem Studzinski und Myschlajewski je zwei Teegläser Sprit getrunken hatten (der Herr Oberst hatte sein Versprechen gehalten und ihnen eine Menge geschickt, die ausreichte, sich zu erwärmen – sechs Liter), schliefen sie abwechselnd zwei Stunden, in einer Reihe mit den Junkern, auf ihren Mänteln neben den Öfen, und rote Lichter und Schatten spielten auf ihren Gesichtern. Dann standen sie auf und kontrollierten die Posten. Karausche stand an den Gartenausgängen Wache mit Junkern als Maschinengewehrbedienung. Mit stündlicher Ablösung wachten vier Junker in Schafpelzen an den großschnauzigen Mörsern.
Bei Madame Anjou war der Ofen höllisch heiß, in den Röhren summte und zog es, einer der Junker stand Wache an der Eingangstür und wandte keinen Blick vom Motorrad, und im Geschäft schliefen fünf Junker wie tot auf ihren ausgebreiteten Mänteln. Um ein Uhr nachts ließ sich der Herr Oberst endgültig bei Madame Anjou nieder, gähnte, legte sich aber noch nicht schlafen, sondern telefonierte lange. Um zwei Uhr nachts fuhr pfeifend ein Motorrad vor, dem eine Militärperson in grauem Mantel entstieg.
»Durchlassen. Er will zu mir.«
Die Person brachte dem Oberst ein umfangreiches Bündel, in ein Laken gewickelt und über Kreuz mit einem Strick verschnürt. Der Herr Oberst versteckte es eigenhändig in einer kleinen Kammer und schloß sie mit einem Vorhängeschloß ab. Der graue Mann fuhr mit dem Motorrad wieder weg, und der Herr Oberst stieg auf die Galerie, breitete dort seinen Mantel aus, raffte einen Haufen Flicken unter den Kopf, legte sich nieder, und nachdem er dem Wachposten befohlen hatte, ihn punkt sechs Uhr dreißig zu wecken, schlief er ein.
7
Tief in der Nacht legte sich kohlschwarzes Dunkel auf die Terrassen des schönsten Fleckchens der Welt – auf den Wladimir-Hügel. Die backsteingepflasterten Wege und Alleen waren unter einer endlosen unberührten Schneeschicht verborgen.
Keine Menschenseele aus der STADT, kein Fuß betrat im Winter dieses mehrstöckige Massiv. Wer geht schon in der Nacht auf den Hügel und dazu in solcher Zeit? Man würde sich einfach fürchten! Selbst Tapfere gehen nicht hin. Man hat ja dort auch nichts zu schaffen. Es gibt dort nur eine beleuchtete Stelle: Auf dem schrecklichen schweren Postament steht schon hundert Jahre der gußeiserne schwarze Wladimir und hält senkrecht in der Hand das drei Sashen lange Kreuz. Jeden Abend, sobald sich Dunkel auf die Hänge und Terrassen legt, flammt das Kreuz auf und brennt die ganze Nacht. Es ist weithin zu sehen, etwa vierzig Werst in die dunkle Ferne, die nach Moskau führt. Hier aber beleuchtet das blasse elektrische Licht nicht viel, es sinkt herab, streift die grünschwarze Seite des Postaments, entreißt der Dunkelheit die Balustrade und ein Stück Gitter, das die mittlere Terrasse umgibt. Sonst nichts. Etwas weiter völlige Dunkelheit. Die Bäume sehen in der Dunkelheit merkwürdig aus, wie Kronleuchter in einem Gazeüberzug, sie tragen Schneemützen, und ringsum sind mannshohe Schneewehen. Gruselig. Nun, es war klar, daß hierher kein Mensch kommen würde. Auch nicht der tapferste. Was sollte er auch hier? Ganz anders ist es in der STADT. Die Nacht ist unruhig, gewichtig, eine Kriegsnacht. Die Laternen brennen wie Glasperlen. Die Deutschen schlafen, aber nur mit einem Auge. In der dunkelsten Gasse flammt plötzlich ein blauer Lichtstrahl auf.
»Halt!«
Knirschen … Knirschen … In der Mitte der Straße kriechen Figuren mit Blechschüsseln auf dem Kopf. Schwarze Ohrenschützer. Knirschen. Die Gewehre nicht auf dem Rücken, sondern über den Arm gelegt. Mit den Deutschen ist nicht zu spaßen, vorläufig … Sie sind eine ernste Angelegenheit. Sie gleichen Mistkäfern.
»Dokument!«
»Halt!«
Ein Strahl aus der Taschenlampe. He-he!
Da kommt ein schweres schwarzlackiertes Auto, vorn vier Scheinwerfer. Es ist kein gewöhnliches Auto, denn dem spiegelglatten Wagen folgt in leichtem Trab ein Geleit – acht Berittene. Aber den Deutschen ist
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