Die weiße Garde
es gleich, sie befehlen auch dem Auto:
»Halt!«
»Wohin? Wer? Weshalb?«
»Der Befehlshaber, General der Kavallerie Belorukow.«
Nun, das ist natürlich ganz etwas anderes. Bitte schön. Durch das Glas des Wagens war in der Tiefe ein blasses schnurrbärtiges Gesicht zu sehen. Ein schwacher Glanz auf den Schultern des Generalsmantels. Die deutschen Blechschüsseln salutierten. Zwar war es ihnen im Grunde egal, ob das der Befehlshaber Belorukow, Petljura oder der Häuptling der Zulus in diesem hundsgemeinen Lande war. Dennoch … Unter Zulus muß man nach Zuluart heulen. Die Blechschüsseln salutierten. Höflichkeit ist international, wie man so sagt.
Es ist eine militärisch wichtige Nacht, eine Kriegsnacht. Aus den Fenstern des Geschäfts von Madame Anjou fällt Licht. Das Licht zeigt die Damenhüte, Korsetts, Schlüpfer und Sewastopoler Kanonen. Ein Junker pendelt hin und her, friert, zeichnet mit dem Bajonett die Initialen des Zaren. Im Alexander-Gymnasium brennen die Lichtkugeln wie bei einem Ball. Myschlajewski, der sich hinlänglich mit Wodka gestärkt hat, läuft dauernd, um Alexander den Gesegneten zu sehen, und wirft Blicke zum Schaltkasten. Im Gymnasium geht es lustig und gewichtig zu. Auf Wache sind immerhin acht Maschinengewehre, und Junker sind keine Studenten! Sie werden kämpfen. Myschlajewskis Augen sehen rot aus wie die eines Kaninchens. Die wievielte Nacht schon – wenig Schlaf, viel Wodka und genug Aufregung. Nun, in der STADT ist es vorerst leicht, die Unruhe zu bekämpfen. Wenn du ein sauberes Gewissen hast, bitte schön, kannst du spazierengehen. Natürlich wirst du mindestens fünfmal angehalten. Doch wenn du Dokumente hast, bitte, geh weiter. Es ist zwar verwunderlich, daß du dich in der Nacht herumtreibst, aber geh …
Und wer sollte auf den Hügel steigen? Das wäre ausgemachter Unsinn. Außerdem ist es dort oben windig. Wenn der Wind in den schneeverwehten Alleen pfeift, glaubst du Teufelsstimmen zu hören. Wagt sich dennoch jemand auf den Hügel, so muß das ein Ausgestoßener sein, einer, der sich unter allen Regierungen der Welt bei seinen Mitmenschen wie ein Wolf in einer Hundemeute fühlt. Ein ganz Elender, wie bei Hugo. Einer, der sich in der STADT gar nicht zeigen darf, und wenn, dann auf eigene Gefahr. Schlüpfst du zwischen den Patrouillen durch – dein Glück, kommst du nicht durch – hast du Pech gehabt. Wenn so ein Mensch auf den Hügel geht, so müßte man ihn rein menschlich bedauern.
So etwas wünscht man nicht einmal einem Hund. Der Wind ist eisig. Fünf Minuten in solchem Wind, und du verlangst schon nach Hause, aber …
»Wie, fünf Stunden noch? Da erfrieren wir ja!«
Das Schlimmste ist, man kommt nicht am Panorama und am Wasserturm vorbei in die obere STADT, dort, wissen Sie, in der Michailowski-Gasse, im Klostergebäude, befindet sich der Stab des Fürsten Belorukow. Und alle Minuten kommt mal ein Auto mit Geleit, mal ein Auto mit Maschinengewehren, mal …
»Offiziere, hol sie der Teufel, mit Blindheit sollen sie geschlagen sein!«
Patrouillen, Patrouillen, Patrouillen.
Über die Terrassen in die untere STADT, nach Podol, zu kommen, daran ist nicht zu denken, denn auf der Alexandrowskaja-Straße, die sich am Fuße des Hügels windet, sind erstens eine ganze Kette Laternen und zweitens die Deutschen, hol sie der Teufel! Eine Patrouille nach der anderen! Vielleicht erst gegen Morgen? Aber bis zum Morgen erfrieren wir. Der eisige Wind – hu-huuu – jagt durch die Alleen, und es ist, als wären in den Schneewehen am Gitter menschliche Stimmen zu hören. »Wir erfrieren, Kirpaty!«
»Halt aus, Nemoljaka, halt aus. Sie patrouillieren bis zum Morgen und gehen dann schlafen. Wir aber schlüpfen zum Wswos durch und wärmen uns bei Sytschicha auf.«
Wenn die Dunkelheit am Gitter sich bewegt, kommt es einem vor, als ob drei schwarze Schatten sich darüberbeugen und nach unten sehen, wo wie auf dem Präsentierteller die Alexandrowskaja-Straße liegt. Sie ist jetzt still und menschenleer, was aber, wenn plötzlich zwei bläuliche Lichtstrahlen aufflammen, deutsche Autos vorbeijagen oder die schwarzen Blechschüsseln sich zeigen, von denen kurze spitze Schatten fallen? Alles liegt wie auf dem Präsentierteller.
Ein Schatten löst sich auf dem Hügel, seine heisere scharfe Wolfsstimme zischt:
»He, Nemoljaka, riskieren wir’s! Gehen wir. Vielleicht kommen wir durch.«
Es ist nicht schön auf dem Hügel.
Im Schloß, stellen Sie sich vor, war es auch nicht
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