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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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rote Schleifen.«
    »Laufen Sie lieber nach Hause.«
    »Bolbotun ist gegen Petljura.«
    »Im Gegenteil: Er ist für die Bolschewiken.«
    »Ganz im Gegenteil: Er ist für den Zaren, aber ohne Offiziere.«
    »Ist der Hetman geflohen?«
    »Wirklich? Wirklich? Wirklich? Wirklich?«
    »Tiu. Tiu. Tiu.«

    Bolbotuns Aufklärungstrupp, mit dem Kosakenoberleutnant Galanba an der Spitze, zog die Millionnaja-Straße entlang und begegnete keiner Menschenseele. Und da, stellen Sie sich vor, öffnete sich ein Tor, und den fünf berittenen Haidamaken mit den langen Mützenspitzen trat niemand anderes entgegen als der Lieferant Jakow Grigorjewitsch Feldman. Sind Sie übergeschnappt, Jakow Grigorjewitsch, daß Sie bei solchen Ereignissen hier umherlaufen? Ja, Jakow Grigorjewitsch sah so aus, als sei er übergeschnappt. Die Sealmütze saß ihm im Nacken, der Mantel war aufgeknöpft. Die Augen flirrten.
    Jakow Grigorjewitsch Feldman hatte allen Grund überzuschnappen. Gerade als es an der Militärschule zu rattern begann, ertönte aus dem hellen Schlafzimmer seiner Frau ein Stöhnen. Es wiederholte sich und erstarb.
    »Oh«, antwortete Feldman auf das Stöhnen, blickte aus dem Fenster und überzeugte sich, daß es vor dem Fenster sehr schlecht aussah. Ringsum Getöse und Leere.
    Das Stöhnen verstärkte sich und schnitt Feldman wie mit einem Messer ins Herz. Seine alte Mutter mit dem krummen Rücken kam aus dem Schlafzimmer und rief:
    »Jakow! Weißt du? Es geht los!«
    Feldmans Gedanken strebten nur einem Ziel zu: dem freien Platz an der Ecke Millionnaja-Straße, wo an dem Eckhaus gemütlich ein rostiges Schild mit Goldbuchstaben hing:
    J. T. Schadurskaja
Hebamme
    Die Millionnaja-Straße, wiewohl eine Querstraße, war ziemlich gefährlich, denn durch sie hindurch wurde vom Petscherskaja-Platz her der Kiewski-Hang beschossen.
    Nur durchkommen … Die Mütze im Nacken, Entsetzen in den Augen, schlich Jakow Grigorjewitsch Feldman die Wände entlang.
    »Halt! Wohin?«
    Galanba beugte sich aus dem Sattel. Feldman lief dunkel an, seine Augen irrlichterten. Vor ihm flimmerten die grünen Posamentenschwänze der Haidamaken.
    »Ich bin ein friedlicher Bürger, meine Herren. Meine Frau kommt nieder. Ich muß zur Hebamme.«
    »Zur Hebamme? Und warum versteckst du dich an den Wänden? He? Du Jidd?«
    »Meine Herren, ich …«
    Die Reitpeitsche kroch wie eine Schlange über den Sealkragen und den Hals. Höllischer Schmerz. Feldman schrie auf. Er war nicht mehr dunkel, sondern weiß im Gesicht, zwischen den Schwänzen glaubte er das Gesicht seiner Frau zu sehen.
    »Dokumente!«
    Feldman holte die Brieftasche mit den Dokumenten hervor, öffnete sie, nahm das erste Blatt heraus und erzitterte plötzlich, zu spät fiel ihm ein … o Gott, o Gott! Was hatte er angerichtet! Was haben Sie da herausgeholt, Jakow Grigorjewitsch? Aber kann man an solche Kleinigkeiten denken, wenn man beim ersten Stöhnen der Ehefrau aus dem Hause rennt? Oh, Feldman, wehe dir!
    Galanba bemächtigte sich augenblicklich des Dokumentes. Es war nur ein dünnes Blättchen mit Siegel, aber dieses Blättchen bedeutete Feldmans Tod.

    Der Inhaber dieser Bescheinigung, Jakow Grigorjewitsch Feldman, ist berechtigt, in Versorgungsangelegenheiten für die Panzerkräfte der Garnison die Stadt jederzeit zu verlassen bzw. in sie einzureisen sowie die Straßen nach 24 Uhr zu betreten.
    Leiter der Versorgung Generalmajor Illarionow
Adjutant – Leutnant Lestschinski
    Feldman lieferte dem General Kartusow Speck und Vaselinschmiere für die Kanonen.
    O Gott, vollbringe ein Wunder!
    »Herr Oberleutnant, das ist nicht das richtige Dokument! Erlauben Sie …«
    »Doch, es ist das richtige«, sagte Galanba und feixte diabolisch. »Keine Sorge, wir sind des Lesens kundig.«
    O Gott! Vollbringe ein Wunder! Elftausend Karbowanzen … Nehmt alles! Laßt mir nur das Leben! Das Leben! Höre, Israel!
    Er ließ es ihm nicht.
    Gut nur, daß Feldman eines leichten Todes starb. Der Oberleutnant Galanba hatte keine Zeit. Deshalb schlug er Feldman einfach den Säbel über den Kopf.

9
    Nachdem Oberst Bolbotun sieben Tote, neun Verwundete und sieben Pferde verloren hatte, ritt er die halbe Werst vom Petscherskaja-Platz bis zur Resnikowskaja-Straße und machte wieder halt. Hier stieß Verstärkung zu der zurückweichenden Junkerkette. Sie hatte einen Panzerwagen. Die plumpe graue Schildkröte mit den Türmen kam von der Moskowskaja-Straße hergekrochen, und dreimal rollte ein dreizölliger Donnerschlag mit

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