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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Stärke meine Kräfte, befreie mich vom Kokain, befreie mich von der Schwäche des Geistes und von Michail Semjonowitsch Schpoljanski!«
    Die Kerze tropfte, im Zimmer wurde es kälter, gegen Morgen bekam der Kranke Gänsehaut, fühlte sich aber erleichtert.
    Michail Semjonowitsch Schpoljanski aber verbrachte den Rest der Nacht in der Malo-Prowalnaja-Straße in einem großen Zimmer mit niedriger Decke und einem altersdunklen Porträt, auf dem Epauletten der vierziger Jahre trüb blinkten. Ohne Jacke, nur im weißen Zephirhemd, über dem er eine schwarze Weste mit großem Ausschnitt trug, saß er auf einem schmalen Sofa und sprach zu einer blassen Frau folgende Worte:
    »Julia, ich bin endgültig entschlossen und trete in die Panzerabteilung des Hetmans, dieses Lumpen, ein.«
    Auf diese Worte antwortete die in ein flauschiges graues Tuch gehüllte Frau, die der feurige Onegin vor einer halben Stunde mit seinen Küssen gemartert hatte:
    »Es tut mir sehr leid, daß ich deine Pläne nie verstanden habe und nie verstehen werde.«
    Schpoljanski nahm von dem Tischchen vor dem Sofa ein Glas mit schmaler Taille, trank den aromatischen Kognak und sagte:
    »Ist auch nicht nötig.«

    Zwei Tage nach diesem Gespräch war Schpoljanski nicht wiederzuerkennen. Statt des Zylinders trug er eine brötchenähnliche Mütze mit Offizierskokarde, statt der Zivilkleidung einen knielangen Pelz und darauf zerdrückte khakifarbene Schulterklappen. Die Hände steckten in Stulpenhandschuhen, wie sie Marcel in den »Hugenotten« trug, die Beine in Gamaschen. Von Kopf bis Fuß, sogar im Gesicht, war Schpoljanski mit Maschinenöl und Ruß verschmiert. Einmal, und zwar am neunten Dezember, waren zwei Panzerwagen vor der STADT im Einsatz und hatten, kann man sagen, außerordentlichen Erfolg. Sie waren etwa zwanzig Werst die Chaussee entlanggekrochen, und nach den ersten Schüssen ihrer Dreizöller und nach einigem Maschinengewehrgeknatter ergriffen die Petljura-Ketten vor ihnen die Flucht. Fähnrich Straschkewitsch, ein rosiger Enthusiast und Kommandant des vierten Panzerwagens, schwor Schpoljanski, daß man die STADT halten könne, wenn man alle vier Wagen auf einmal einsetzte. Dieses Gespräch fand am Neunten abends statt, und am Elften sagte Schpoljanski, der Diensthabende der Abteilung, zu Stschur, Kopylow und anderen (einem Richtkanonier, zwei Fahrern und einem Mechaniker) in der Dämmerung folgendes:
    »Wißt ihr, Freunde, eigentlich ist es noch sehr die Frage, ob wir richtig tun, diesen Hetman zu verteidigen. In seinen Händen sind wir nichts als ein teures und gefährliches Spielzeug, mit dessen Hilfe er die finsterste Reaktion einführt. Wer weiß, vielleicht ist der Zusammenstoß Petljuras mit dem Hetman historisch bestimmt, und aus diesem Zusammenstoß wird eine dritte historische Kraft entstehen, die vielleicht die einzig richtige ist.«
    Die Zuhörer vergötterten Schpoljanski aus dem gleichen Grunde, aus dem man ihn auch im Klub »Dreschma« vergötterte – wegen seines außergewöhnlichen Redetalents.
    »Was ist das für eine Kraft?« fragte Kopylow und paffte eine Selbstgedrehte.
    Der kluge, stämmige blonde Stschur kniff schlau die Augen ein und zwinkerte in Richtung Nordost. Die Gruppe unterhielt sich noch eine Weile und ging dann auseinander. Am zwölften Dezember fand abends im selben kleinen Kreis eine zweite Unterredung hinter den Fahrzeugschuppen statt. Der Gegenstand dieser Unterredung blieb unbekannt, bekannt wurde aber, daß am Vorabend des vierzehnten Dezember, als Stschur, Kopylow und der stupsnäsige Petruchin im Schuppen Wache hatten, Schpoljanski dorthin kam und ein großes, in Packpapier gewickeltes Paket mitbrachte. Stschur ließ ihn in den Schuppen ein, wo trübrot ein widerliches Lämpchen brannte. Kopylow wies familiär zwinkernd auf das Paket und fragte:
    »Zucker?«
    »Hm«, antwortete Schpoljanski.
    Im Schuppen bewegte sich eine Laterne, augengleich zwinkernd, bei den Panzerwagen, und der besorgte Schpoljanski hantierte mit dem Mechaniker an den Wagen und bereitete sie zum morgigen Einsatz vor.
    Der Grund: ein schriftlicher Befehl beim Abteilungskommandeur Hauptmann Pleschko – »am vierzehnten Dezember um acht Uhr morgens mit vier Panzerwagen nach Petschersk zu fahren«.
    Die gemeinsamen Bemühungen von Schpoljanski und dem Mechaniker, die Wagen kampfbereit zu machen, zeitigten merkwürdige Ergebnisse. Die am Vortag noch vollkommen gesunden drei Wagen (der vierte war unter dem Kommando von Straschkewitsch im

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