Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
das Feuer ein, statt dessen begann eine lustige knallende Ballerei irgendwo am nördlichen Stadtrand. Dann hörte auch sie auf.

    Der Zug des Obersts Toropez, Kommandeur des Belagerungskorps, stand auf einem Ausweichgleis, etwa fünf Werst von der verschneiten, von Knall und Widerhall betäubten, wie ausgestorbenen Siedlung Swjatoschino im dichten Wald. Die ganze Nacht brannte in den sechs Wagen Licht, die ganze Nacht klingelte an der Ausweichstelle das Bahntelefon, und in dem ramponierten Salonwagen des Obersts piepsten die Feldtelefone. Als aber der schneereiche Tag die Gegend ganz erhellt hatte, donnerten vorne, längs der Eisenbahnlinie, die von Swjatoschino nach Post-Wolynski führte, die Geschütze los, in den gelben Kästen sangen die Vögelchen, und der dürre nervöse Toropez sagte zu seinem Adjutanten Chudjakowski:
    »Swjatoschino ist genommen. Ordnen Sie bitte an, Herr Adjutant, daß der Zug nach Swjatoschino geleitet wird.«
    Toropez’ Zug fuhr langsam an Reih und Glied des Winterwaldes vorbei und hielt unweit der Stelle, wo die Eisenbahnlinie die Chaussee kreuzte, die sich wie ein Pfeil in die STADT bohrte. Im Salonwagen des Zuges ging Oberst Toropez an die Ausführung seines Planes, den er in zwei schlaflosen Nächten in diesem verwanzten Salonwagen Nr. 4173 abgefaßt hatte.
    Die STADT erwachte im Nebel – und war von allen Seiten belagert. Im Norden kamen die Belagerer vom Stadtwald und von den Äckern her, im Westen aus dem eingenommenen Swjatoschino, im Südwesten aus dem unglückseligen Post-Wolynski, im Süden von den Hainen, Friedhöfen, Weiden und Schießplätzen, die von der Eisenbahnstrecke eingefaßt waren; von überall – über Pfade und Wege und einfach über die Schnee-Ebenen – kroch und rasselte unaufhaltsam die schwarze Kavallerie, knarrten die schweren Geschütze und schritt, im Schnee einsinkend, die von der einmonatigen Belagerung ermüdete Petljura-Infanterie.
    Im Salonwagen mit dem verwetzten Bodenbelag sangen alle Minuten die zarten Vögelchen, und die Telefonisten Franko und Haras, die die ganze Nacht nicht geschlafen hatten, waren schon ganz verdreht.
    »Tiu … piu … Hallo! Piu … tiu …«
    Toropez’ Plan war schlau, und schlau war der schwarzbrauige, glattrasierte, nervöse Oberst Toropez selber. Nicht umsonst hatte er zwei Batterien zum Stadtwald geschickt, nicht umsonst ließ er es durch die frostige Luft donnern und die Straßenbahnlinie nach dem reifzottigen Pustscha-Wodiza zerschlagen. Nicht umsonst befahl er dann die Maschinengewehre von den Äckern nach vorn, näher an die linke Flanke heran. Er wollte die Verteidiger der STADT irreführen, sie sollten annehmen, er würde die STADT von seiner linken Flanke (von Norden), von der Vorstadt Kurenjowka her einnehmen; dann würden sie ihre Armee dorthin ziehen, und er konnte die STADT von vorn, von Swjatoschino her, über die Brest-Litowsker Chaussee, und außerdem von der rechten Flanke her, von Süden, aus Richtung des Dorfes Demijewka besetzen.
    In Ausführung seines Plans bewegten sich also Einheiten der Petljura-Armee von der linken Flanke zur rechten. Mit Pfeifen und Harmonikamusik, die Starschinas an der Spitze, marschierte auch das schwarzbemützte Regiment von Kosyr-Leschko. »Hurra!« dröhnte es in Bely Gai und rollte über die Haine. »Hurra!«
    Das Regiment ließ Gai seitlich liegen, überquerte die Bahnlinie auf einer Bohlenbrücke und erblickte die STADT. Sie war noch warm vom Schlaf; Nebel oder Rauch stieg über ihr empor. Kosyr richtete sich in den Steigbügeln auf und blickte durch das Zeissglas dahin, wo sich die Dächer der mehrstöckigen Häuser und die Kuppeln der alten Sophienkathedrale türmten.
    Rechts von Kosyr war der Kampf schon im Gange. In zwei Werst Entfernung donnerten ehern die Kanonen, zirpten die Maschinengewehre. Dort lief die Petljura-Infanterie in Schützenkette auf Post-Wolynski zu, und ebenfalls in Schützenkette setzte sich die von dem heftigen Feuer zermürbte, schwache, buntscheckige weißgardistische Infanterie aus Post ab.
    Die STADT. Niedriger, verhangener Himmel. Eine Straßenecke. Häuser am Stadtrand, vereinzelte Militärmäntel.
    »Soeben wurde durchgegeben, daß man sich mit Petljura geeinigt hat, alle russischen Truppenteile mit Waffen zum Don, zu Denikin durchzulassen.«
    »Ist das wahr?«
    Kanonen … Kanonen … Wum … bum, bum, bum …
    Da ratterte ein Maschinengewehr los.
    Verzweiflung und Erstaunen in der Stimme des Junkers:
    »Erlaube mal, dann müssen wir

Weitere Kostenlose Bücher