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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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aber begann von Petschersk her ein lustiges Maschinengewehr seine Musik. Die Hügel von Petschersk warfen das Geratter zurück, und es flog ins Zentrum der STADT. Moment mal, das ist doch schon ganz nah! Was ist los? Die Passanten blieben stehen, schnupperten. An manchen Stellen lichteten sich die Gehsteige.
    Was ist das? Wer ist das?
    »Arrrrrrrr-ta-ta-ta-ta! Ta! Ta! Ta! Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr!«
    »Wer ist das?«
    »Wer? Das wissen Sie nicht, Bürger? Das ist Oberst Bolbotun.«
    Tja, so sah die Auflehnung gegen Petljura aus!
    Oberst Bolbotun, der Ausführung des schwierigen Generalstabsplans des Obersts Toropez überdrüssig, beschloß, die Ereignisse etwas zu beschleunigen. Seine Reiter warteten durchfroren hinter dem Friedhof ganz im Süden, von wo es ein Katzensprung zum weisen, verschneiten Dnepr war. Er selbst war auch durchfroren. Da hob er den Stock, und sein Reiterregiment setzte sich in Dreierreihen in Bewegung, zog sich auf der Straße auseinander und erreichte die Eisenbahnlinie, die die Vorstadt umschnürte. Niemand empfing ihn hier. Seine sechs Maschinengewehre jaulten los, daß das Echo durch den Waldstreifen Nishnjaja Telitschka hallte. Blitzschnell überquerte Bolbotun die Eisenbahnlinie und stoppte einen Personenzug, der eben die Eisenbahnbrücke passiert hatte und eine frische Portion Moskauer und Petersburger mit rundlichen Weibern und zottigen Hündchen in die STADT brachte. Die Zuginsassen verloren den Kopf, aber Bolbotun hatte keine Zeit, sich mit den Hündchen abzugeben. Unruhige leere Güterzüge fuhren vom Güterbahnhof II zum Stadtbahnhof I, Rangierloks pfiffen, und Bolbotuns Kugeln rasselten wie plötzlicher Hagel über die Häuserdächer in der Swjatotroizkaja-Straße. Bolbotun kam in die STADT und zog ungehindert die Straße entlang bis zur Militärschule; in alle Gassen schickte er berittene Kundschafter. Erst hier, bei den bröckeligen Säulen der Nikolai-Schule, stieß er auf den Feind. Hier empfingen ihn ein Maschinengewehr und dünne Salven einer Schützenkette. Im vordersten Zug seiner ersten Hundertschaft fiel der Kosak Buzenko, fünf wurden verwundet und zwei Pferde an den Beinen getroffen. Bolbotun zögerte, ihn deuchte plötzlich, daß ihm ungeheure Kräfte gegenüberstünden. In Wirklichkeit aber hatten dem Oberst mit der blauen Mützenspitze nur etwa dreißig Junker und vier Offiziere mit einem Maschinengewehr Salut geschossen.
    Bolbotuns Reiter saßen auf Kommando ab, legten sich in Deckung und begannen mit den Junkern ein Geplänkel. Petschersk füllte sich mit Getöse, das Echo prallte gegen die Mauern, und in der Gegend der Millionnaja-Straße brodelte es wie in einem Teekessel.
    Bolbotuns Handlungen wirkten sich sofort auf die STADT aus: In der Jelisawetinskaja-, der Winogradnaja-und der Lewaschowskaja-Straße rasselten die eisernen Jalousien herunter. Die fröhlichen Läden erblindeten. Die Bürgersteige leerten sich im Nu und hallten ungemütlich. Die Hauswarte schlossen eilends die Tore.
    Auch im Stadtzentrum war eine Auswirkung bemerkbar: Die Vögelchen der Stabstelefone verstummten allmählich.
    Gepiepse von der Batterie zum Divisionsstab. Was für eine Teufelei – keine Antwort! Ohrenbetäubendes Gepiepse vom Bataillon zum Stab des Befehlshabers, man will etwas. Eine Stimme murmelt als Antwort irgendwelchen Unsinn.
    »Tragen eure Offiziere Schulterklappen?«
    »He? Was meinen Sie?«
    »Tiu …«
    »Tiu …«
    »Sofort eine Abteilung nach Petschersk schicken!«
    »He? Was meinen Sie?«
    »Tiu …«
    Durch die Straßen kroch es: Bolbotun, Bolbotun, Bolbotun … Woher wußte man, daß es Bolbotun war und nicht irgendein anderer? Das ist unbekannt, aber man wußte es. Vielleicht daher: Schon seit Mittag waren in der STADT zwischen den Passanten und den üblichen Gaffern städtischen Aussehens Leute in Mänteln mit Schafpelzkragen aufgetaucht. Sie liefen umher und schnüffelten. Den Junkern, Kadetten und Offizieren mit goldenen Schulterstücken folgten sie mit langen und klebrigen Blicken.
    »Bolbotun ist in der STADT«, flüsterten sie.
    Sie flüsterten das ohne Bedauern. Im Gegenteil, in ihren Augen war ein deutliches »Hurra!« zu lesen.
    »Hurra-a-a-a-a-a-a-a!« auf den Hügeln von Petschersk.
    Dann wurde allerlei Unsinn dahergeredet:
    »Bolbotun ist der Großfürst Michail Alexandrowitsch.«
    »Im Gegenteil: Bolbotun ist der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch.«
    »Bolbotun ist einfach Bolbotun.«
    »Es wird einen Judenpogrom geben.«
    »Im Gegenteil: Sie tragen

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