Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
würde man seine Entfernung verlangen, der Besitzer aber dürfe bleiben. Was das Service anbetraf: Da Jelena keinen Ton sagen würde, weil es kleinbürgerlich wäre, sollte nicht mehr davon gesprochen werden. Lariossik sollte im Bücherzimmer wohnen, dort würden ein Bett mit Sprungfedermatratze und ein Tischchen aufgestellt.
    Jelena betrat das Eßzimmer. Lariossik stand traurig mit hängendem Kopf da und starrte die Stelle an, wo einst auf dem Büfett zwölf Teller in einem Stapel gestanden hatten. Seine trübblauen Augen zeigten Kummer. Nikolka stand ihm mit aufgesperrtem Mund gegenüber und hörte seinen Reden zu. Seine Augen waren voll gespannter Neugier.
    »Es gibt kein Leder in Shitomir«, sagte Lariossik zerstreut, »verstehen Sie, es gibt kein solches Leder, wie ich es zu tragen gewohnt bin. Ich habe bei allen Schuhmachern gefragt, ihnen jede Summe geboten, aber es war nichts da. Dann mußte ich …«
    Als Lariossik Jelena erblickte, erblaßte er, trat von einem Fuß auf den anderen, heftete seinen Blick auf die smaragdenen Quasten des Morgenrocks und sagte folgendes:
    »Jelena Wassiljewna, ich fahre sofort in die Läden, stelle alles auf die Beine, und Sie bekommen noch heute Ihr Service ersetzt. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, wie ich mich entschuldigen soll. Für das Service verdiene ich totgeschlagen zu werden. Ich bin ein schrecklicher Pechvogel«, das zu Nikolka, »ich fahre sofort in die Läden«, wieder zu Jelena.
    »Ich bitte Sie sehr, nicht zu fahren, zumal sie natürlich alle geschlossen sind. Übrigens, wissen Sie denn nicht, was bei uns in der STADT los ist?«
    »Natürlich weiß ich es!« rief Lariossik. »Ich bin doch mit dem Sanitätszug gekommen, wie Sie aus dem Telegramm erfahren haben müßten.«
    »Aus welchem Telegramm?« fragte Jelena. »Wir haben kein Telegramm erhalten.«
    »Wie bitte?« Lariossik sperrte den breiten Mund auf. »Nicht erhalten? Aha! Jetzt ist mir klar«, zu Nikolka, »warum Sie über meine Ankunft so erstaunt waren. Wie ist denn das möglich? Mama hat Ihnen doch ein Telegramm von dreiundsechzig Wörtern geschickt.«
    »Ei, ei, dreiundsechzig Wörter!« wunderte sich Nikolka. »Wie schade! Telegramme werden jetzt so schlecht befördert. Genauer gesagt – überhaupt nicht.«
    »Was soll denn nun werden?« Lariossik war sichtlich betrübt. »Werden Sie mir erlauben, bei Ihnen zu bleiben?« Er blickte hilflos um sich, seinen Augen war anzusehen, daß es ihm bei den Turbins gut gefiel und er sehr ungern wieder weggegangen wäre.
    »Alles in Ordnung«, antwortete Jelena und nickte gnädig. »Wir sind einverstanden. Bleiben Sie da und richten Sie sich ein. Sie sehen doch, welches Unglück uns betroffen hat.«
    Lariossik wurde noch trauriger. Seine Augen waren tränenumflort.
    »Jelena Wassiljewna!« sagte er gefühlvoll, »verfügen Sie über mich, wie Sie wollen. Sie müssen wissen, ich kann drei bis vier Nächte hintereinander ohne Schlaf aushalten.«
    »Ich danke Ihnen, vielen Dank.«
    »Und jetzt«, Lariossik wandte sich an Nikolka, »darf ich Sie um eine Schere bitten?«
    Nikolka, ganz verdattert vor Staunen und Neugier, eilte hinaus und kam mit einer Schere zurück. Lariossik knöpfte die Jacke auf, plinkerte verlegen und wandte sich wieder an Nikolka.
    »Verzeihung, darf ich für einen Augenblick in Ihr Zimmer?«
    In Nikolkas Zimmer zog er die Jacke aus, unter der ein außerordentlich schmutziges Hemd zum Vorschein kam, bewaffnete sich mit der Schere, trennte das blanke schwarze Futter auf und holte ein dickes grüngelbes Geldbündel hervor. Dieses brachte er feierlich ins Eßzimmer und legte es vor Jelena auf den Tisch.
    »Hier, Jelena Wassiljewna, erlauben Sie mir, Ihnen das Geld für meinen Unterhalt sofort zu zahlen.«
    »Wozu diese Eile?« fragte Jelena errötend. »Das hätten Sie auch später tun können.«
    Lariossik protestierte heftig.
    »Nein, nein, Jelena Wassiljewna, nehmen Sie es bitte jetzt. Ich bitte Sie, in solch schwieriger Zeit wird immer Geld gebraucht, ich verstehe das sehr gut!« Er wickelte das Bündel auf, wobei das Bild einer Frau zum Vorschein kam. Lariossik steckte es rasch mit einem Seufzer in die Tasche. »Es ist bei Ihnen auch besser aufgehoben. Was brauche ich? Nur Zigaretten und Vogelfutter.«
    Jelena vergaß für einen Moment Alexejs Wunde, ein freundlicher Glanz trat in ihre Augen, so angemessen und umsichtig handelte Lariossik.
    Eigentlich ist er gar nicht so ein Tölpel, wie ich anfänglich glaubte, dachte sie, er ist

Weitere Kostenlose Bücher