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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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Fällen wie jenen des jungen Ehemannes, der seine Liebste mit einem anderen Mann im Bett ertappt hatte. Der Bräutigam war überzeugt, seine Frau nur deshalb in flagranti erwischt zu haben, weil er ein juju unter der Matratze seines Ehebettes plaziert hatte. Es habe das Liebespaar daran gehindert, das Lotterbett rechtzeitig vor seiner Heimkehr zu verlassen. Die Schwiegereltern mußten ihre Tochter zurücknehmen und einen Großteil der Mitgift zurückerstatten.
    William lebte nur selten in seinem Palast. Bei seiner Errichtung vor Hunderten von Jahren hatten die damaligen Architekten nicht den Prunk verwendet, der europäische Paläste ziert. Sie hatten aus Lehmziegeln hohe Räume mit abgerundeten Decken geschaffen, die von gebogenen und bemalten Holzbalken getragen wurden. Die schlichten Säle waren nur mit wenigen Möbeln ausgestattet. Der Sinn der Architektur schien zu sein, den Besucher durch die Größe zu beeindrucken. William besaß eine Sammlung traditioneller Kunst. Er unterstützte aber auch junge Bildhauer, indem er ihre farbenfrohen, auf mich naiv wirkenden Plastiken kaufte. Neben den Versammlungsräumen mit langen Tischen und dunklen Stühlen gab es einige rituelle Zimmer, in denen Altäre standen.
    Zu einem davon trat William jetzt. Zwischen Kerzen, Muscheln und frischen Blumen stand der Kopf einer Frau, aus dunklem, fein gezeichnetem Ebenholz geschnitzt. Die schöne Frau mit den ebenmäßigen Gesichtszügen stellte Victors Urgroßmutter dar.
    Diesen unvergleichlich schönen Frauenkopf schenkte William seinem Sohn.
    William erklärte, daß die Büste für Victor und seine zukünftige Frau und Kinder geweiht worden sei. Nach seiner Rückkehr nach Lagos solle Victor diese traditionelle Schnitzerei auf einen Altar stellen.
    Durch den Anblick des Kopfes, meinte William, werde er an seine Vorfahren erinnert und könne so Kraft für seinen Lebensweg daraus schöpfen. „Denke daran, Victor, wir stehen auf den Schultern unserer Ahnen“, mahnte William seinen Sohn. Was das für den von Europa geprägten Victor tatsächlich bedeutete, sollten wir in den nächsten Tagen erfahren.
    Eine große Anzahl von Frauen bewohnte den Palast, darunter auch Williams Mutter, die erste Frau seines Vaters, sowie drei Mitfrauen, die sich alle sehr gut verstanden. Während William als anerkannter Clanchef vor allem außerhalb des Palastes das Sagen hatte, regierte seine Mutter im Palast und genoß unumschränkte Autorität über alle Geschicke der Bewohner. Denn Victors Vater hatte nach der Scheidung von seiner englischen Frau nicht wieder geheiratet.
    Victor war sein einziges Kind geblieben. Über den Grund wurde geschwiegen, aber ich schloß aus einer der üblichen indirekten Äußerungen Victors, daß sein Vater sich kurz nach Victors Geburt einer Hodenkrebsoperation unterzogen hatte. Um so mehr Bedeutung kam seinem Sohn zu - und natürlich der Frau, auf die Victors Wahl gefallen war.
    Entsprechend groß war die Neugier, mit der ich empfangen wurde.
    Hier zählte plötzlich nicht mehr, daß ich als Managerin in Victors und Williams Firmen erfolgreich war und Victor bei seinen Geschäften beriet. Die Selbständigkeit, die ich mir ein Leben lang erarbeitet hatte, galt hier nicht. Ich war eine unter vielen Frauen.
    Mahlzeiten durfte ich zum Beispiel nicht mit den Männern gemeinsam einnehmen. Ich hatte mit den anderen Frauen zu speisen oder allein. Während unseres gesamten Aufenthalts im Palast durfte ich nur einmal mit William und Victor gemeinsam speisen. Mein Schlafraum befand sich im Haus der Frauen; gemeinsame Zeit konnten wir nur in Victors Gemächern verbringen.
    Schon bald nach unserer Ankunft fand ein großes Treffen der Männergesellschaft statt, von dem Victor mir berichtete. Dabei brachte Sunny klar zum Ausdruck, daß er Victor nicht als künftigen König akzeptierte, weil Victor zu westlich war und nichts von den Überlieferungen seines Volkes verstand. Zum Beweis seiner Behauptung führte Sunny ausgerechnet mich an. Als Weiße könne ich nicht die erste Frau Victors werden. Eine Heirat mit mir sei nur dann möglich, wenn Victor zuvor eine traditionelle Ehe mit einer 15
    Jahre alten Stammesprinzessin eingehe, die gerade ihre Initiation gefeiert hatte.
    Dieses Mädchen, das bei Victors Thronbesteigung den Platz von Williams Mutter einnehmen würde, müßte nach alter Sitte als Victors erste Frau im Palast herrschen und den anderen Mitfrauen vorstehen. Falls ich Victors Frau werden wollte, müßte ich mich dieser Frau

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