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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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schrie und rannte dem Biest hinterher. Der Vogel stieg immer höher und entschwand meinem Blick. Erschöpft gab ich auf und ließ mich in den Staub fallen. Ich hörte, wie jemand lachte. Es war die Stimme eines Mannes. Ich sah mich um, aber die Sonne blendete mich. Es war ein Reiter, der in einiger Entfernung auf seinem Pferd saß. Er hatte einen Arm ausgestreckt. Winkte er mir? Oder streckte er die Hand aus, um mir
    hochzuhelfen? Doch er schien viel zu weit weg, um mir helfen zu können.
    Victors Vater William nahm mich in seiner Privatmaschine nach Katsina mit. Er saß vorne neben dem Piloten, ich hinten.
    William drehte sich zu mir um. „Eine ehrliche Antwort, Ilona: Mögen Sie Polo?“
    Ich lächelte. So wie mich der alte Stammes-Chef ansah, mit diesem verschmitzten Blick in den Augenwinkeln, schien er die Antwort zu erahnen. „Naja, ChiefWilliam, ich schätze Ihren Sohn sehr. Und ich mag Pferde.“
    Er lachte laut, wobei er den Kopf in den Nacken legte: „Eine diplomatische Antwort. Aber keine ehrliche. Ich glaube, in Wirklichkeit geht es Ihnen wie mir: Mir tun die Pferde leid.“
    „Sie werden ziemlich gefordert“, stimmte ich zu, „diese schnellen Ritte und dann das abrupte Abstoppen und Wenden. Das verlangt ihnen eine Menge ab.“
    „Aber den Reitern verlangt es auch eine Menge an Kondition ab.
    Außerdem ist es nicht ungefährlich. Victor ist schon einige Male schwer gestürzt. Ich wünschte mir manches Mal, er würde sich ein weniger riskantes Hobby zulegen. Vor allem hier bei uns in Afrika.
    Der Boden ist oft hart. In England, wo Victor diesen Sport erlernte, ist der Rasen weich. Da ist ein Sturz nicht ganz so gefährlich.“
    „Haben Sie Angst um ihn?“
    William blickte nach vorn. Da ich direkt hinter ihm saß, konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, als er antwortete: „Er ist mein einziges Kind, Ilona. Ich habe mich wenig um ihn gekümmert. Hat er Ihnen das mal erzählt? Ja, sicher wird er das erzählt haben. Jetzt bin ich ein alter Mann, und es ist zu spät dazu. Ich möchte, daß er mein Nachfolger wird. Und Victor gibt sich viel Mühe, mich nicht zu enttäuschen. Doch manchmal...“ William machte eine Pause, überlegte offenbar, ob er zuviel verriet. „Manchmal habe ich Zweifel, ob es richtig war, ihn aus seinem Leben in England herauszuholen.
    Ich weiß es nicht. Glauben Sie, daß Nigeria das richtige Land für ihn ist?“
    Meine Antwort kam viel zu schnell. „Aber ja, ChiefWilliam, Victor liebt Nigeria. Er hat es mir selbst gesagt.“
    „Weil es das Land seines Vaters ist, Ilona. Nicht, weil es sein Land ist. Das ist ein wichtiger Unterschied. Aber es ist ein schönes Land ...“ Erblickte hinunter auf das dichte Grün des Regenwaldes, durch das sich dunkel die Lebensadern der Flüsse einen Weg bahnten. „Und ein schwieriges Land. Vor allem für den, der es nicht kennt“, fügte er nach einer Pause hinzu.
    In den ersten Monaten hatte William sehr auf Distanz zu mir geachtet. Er hatte nicht abschätzen können, wie tief die Beziehung zwischen Victor und mir werden würde. Doch nach und nach waren unsere Gespräche weniger förmlich geworden. Er erkannte meine Arbeit als Geschäftsführerin an, die darauf abzielte, die Unternehmungen effizienter zu machen. Sich von Beteiligungen zu trennen, die nichts einbrachten, und dafür in zukunftsträchtigere Zweige zu investieren. Nie zuvor aber hatte ich mit William so persönlich gesprochen wie jetzt in der Enge des Flugzeugs.
    Vielleicht, weil uns beide das Schicksal in diesen Stunden so nah wie nie zuvor zusammenbrachte.
    Der Pilot flog sehr niedrig, schätzungsweise tausend Meter über dem Boden. Meistens den Flußläufen folgend oder den großen Asphaltstraßen, die in einem breiten Bett aus rotbraunem Erdreich lagen. Verzweifelt überlegte ich, wie ich William, den Stammes-Chef, auf die seltsamen Vorgänge rund um Victor ansprechen konnte -den getöteten Dobermann, den ermordeten Stallburschen Pete, die eigenartige Konstruktion mit der Fußmatte vor unserer Schlafzimmertür. William wußte mit Sicherheit davon. Warum sonst hatte er seinen Sohn zum herbalist geschickt?
    Ich verpaßte die Gelegenheit. William hatte sich wieder zu mir umgedreht und sah mich ernst an. „Victor will Sie heiraten, Ilona.
    Ich möchte von Ihnen gerne wissen, ob Sie das auch wollen. Aber bitte keine diplomatische Antwort. Auch, wenn Sie das gut können.“
    Damit hatte ich nicht gerechnet! Wenn das Flugzeug in einem Luftloch abgesackt wäre, hätte mein Herz

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