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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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unterwerfen und es als Selbstverständlichkeit ansehen, falls Victor noch andere Frauen heiraten würde. Die Polygamie, jenes Gespenst, das Johns und meine Ehe ruiniert hatte, grinste mich wieder höhnisch an.
    Doch diesmal lief ich nicht davon; ich vertraute Victor, weil ich seinen Standpunkt kannte. Wir beide mußten lernen, daß in gehobenen Gesellschaftskreisen Liebe nicht die
    Privatangelegenheit von zwei Menschen ist. Im Prinzip war damit klar, daß eine Ehe zwischen Victor und mir unter den Bedingungen, die wir uns vorgestellt hatten, unmöglich war: eine Einehe wie in Europa. Victor hatte Sunnys Bedingung zu erfüllen oder auf die Thronfolge zu verzichten. Seine Liebe zu mir also war der Hebel, den Sunny anzusetzen vorhatte, um Victor zum Verzicht zu drängen!
    Doch das hätte gleichzeitig Williams Niederlage im Spiel um die Macht bedeutet. Er legte sein Veto als Clanchief ein und schlug einen Kompromiß vor, der nach langer Diskussion von allen Männern in der Versammlung akzeptiert wurde: Während Victor eine traditionelle Einweihung als Stammesmitglied durch eine Initiation erfuhr, bei der er sich mit den Sitten und Gebräuchen seines Stammes vertraut machte, um überhaupt als Nachfolger seines Vaters akzeptiert werden zu können, sollten die Frauen mich in ihre Geheimnisse einweihen. Mir stand eine zweiwöchige Initiation bevor! Sie war die Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Leben von Victor und mir. Es sei denn, Victor verzichtete auf mich oder den Thron.
    Victor sah mich zärtlich an. „Sie nennen es das, fathouse, Liebes.
    Meinst du, du schaffst es - vierzehn Tage im Dschungel?“
    „Fathouse?“ Ich lachte. „Hört sich nicht besonders lecker an.“

    „Meine Großmutter meinte, die Frauen genießen die Zeit im
    fathouse. Danach haben wir den Segen von allen, die gegen uns waren. Bald werden wir wieder Zusammensein, Liebes.“
    Gleichzeitig mit mir wurde Victor von dem Altesten seines Stammes zu seiner Initiation abgeholt. In meinem Zimmer erschien eine sehr alte, fast zahnlose Frau, die von einem 16jährigen Mädchen namens Ifeoma begleitet wurde. Da die Alte nur die Stammessprache beherrschte, übersetzte Ifeoma. Die erste Frage galt meiner Regel.
    Meine Initiation dürfe nicht während der Menstruation stattfinden, sagte Ifeoma.
    Sorgfältig wurde ich von Ifeoma für die Initiation vorbereitet; meine Haare flocht sie zu Zöpfchen. Das ganze Kunstwerk verschwand danach unter einer gele aus steifem, silbernglänzendem Stoff. Ich erhielt eine silberne Damastbluse und einen Wickelrock aus dem gleichen Stoff. Ifeoma führte mich bis zu einer dichten Hecke aus dornigen Sträuchern und hohem Gras. Vor einer beinahe romantisch und verwunschen wirkenden, schmalen Öffnung in der Hecke machten wir halt.
    Hinter der Hecke erwartete mich eine barbusige Torwächterin, die nur einen weißen Wickelrock trug. Ich überreichte ihr einen speziell gebundenen Blumenstrauß. Die Anfangsbuchstaben der Pflanzennamen bilden das Motto der Frauengesellschaft des Stammes. Ich befand mich nun am Anfang eines Waldes, durch den eine Vielzahl von kleinen Wegen, ähnlich wie in einem Irrgarten, führte. Das dichte Grün der üppigen Vegetation aus Lianen, Farnen, Palmen und Bananenpflanzen schaffte am Boden ein feuchtschwüles Klima, an das ich mich aber bald gewöhnte. Immer wieder tauchten in dem Dschungel furchterregende Gesichter von Holzmasken auf -Menschen, Drachen, Krokodile, sogar Wesen, die wie Einhörner aussahen.
    Ifeoma ermahnte mich, keine Pflanzen zu berühren, die ich nicht kannte, und den Weg nicht zu verlassen, da Fußfallen versteckt seien. Hier befänden sich viele giftige Pflanzen. Die Frauen machten es Uneingeweihten oder gar Feinden so schwer wie möglich, sie aufzusuchen. Unter dem weit ausladenden Schirm eines heiligen Irokobaumes war unser Ziel. Darunter stand ein sehr großes Haus aus Lehm, ein wahrer Prachtbau des Urwalds mit umlaufendem Arkadengang und weit vorstehendem Dach. Mit viel Gesang und rhythmischem Klatschen hatten sie mich bis zu diesem Haus gebracht. Ifeoma übersetzte die Worte einer grauhaarigen Alten: Ich sollte mich vor der Dorfältesten hinknien. Die Älteste sprach mich freundlich in Pidgin-Englisch an und bat mich mit weit ausholender Geste, aufzustehen und ins Haus zu kommen. „Willkommen in unserer Gemeinschaft der Frauen, Ilona.“
    Nur langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Die Größe des Hauses überraschte mich: Es mochte gewiß zehn mal zwanzig Meter

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