Die weiße Macht
hat.«
»Allein?«
»Nein, er befand sich in der Begleitung eines jüngeren Mannes.«
»Kannten Sie ihn?«
»Ich sah ihn zum erstenmal.«
»Er ist kein Bruder gewesen?«
»Eine Kutte trug er nicht. Ich denke schon, daß er zu uns gehörte, aber beschwören will ich es nicht. Ich hatte Glück, daß sie meinen Eingang nahmen, ich konnte sie beide gut sehen und… ahm… tja, sie gingen dann hinaus.«
Ignatius hatte die Stirn gerunzelt. »Sie sagen das so seltsam, Bruder Luigi. Ist noch was?«
»Ja und nein. Ich bin kein neugieriger Mensch, aber ich hörte zufällig, wie sie miteinander sprachen, bevor sie sich auf die Suche nach einem Taxi machten. Sie redeten über ein bestimmtes Ziel. Beschwören will ich nichts, Bruder Ignatius, aber ich glaube, daß sie in Richtung Süden wollten, raus aus der Stadt und zum Fluß.«
»Konnten Sie noch etwas verstehen?«
»Der Name Torre di Valle fiel.«
Wir konnten damit nichts anfangen. Ignatius aber dachte nach. »Das ist ein Tal außerhalb Roms.«
»Stimmt, der Tiber durchfließt es.«
»Und weiter?«
»Es war auch die Rede von einem Boot. Das habe ich verstehen können, obwohl sie nur flüsternd miteinander sprachen, aber die Akustik in diesen Räumen ist hervorragend. Sie gingen dann hinaus, und wenn ich ehrlich sein soll, Monsignore Bentini machte auf mich einen bedrückten Eindruck. Er war nicht glücklich, er wirkte verbissen oder so, als hätte er sich nur mühsam dazu durchringen können, den anderen Mann zu begleiten. Das hat mich auch dazu verleitet, Sie zurückzurufen.«
Ignatius schnaufte. »Ich möchte Sie fragen, ob Sie den anderen Mann kannten?«
»Nein, wie erwähnt, er war mir völlig unbekannt. Allerdings erschienen mir die beiden trotz aller Distanz vertraut.«
»Das war alles?«
»Ja, leider. Ich hoffe, daß Sie etwas damit anfangen können, Bruder Ignatius.«
»Das hoffe ich auch. Zunächst einmal sehr herzlichen Dank, Bruder Luigi.«
»Gern geschehen.«
Laut legte Ignatius den Hörer auf. Er drehte sich dabei um. »So, mehr konnten wir nicht herausfinden. Torre di Valle«, murmelte er, »ist ein Tal, durch das nicht nur der Tiber fließt, sondern auch der Autobahnzubringer führt.«
»Liegt es einsam?«
»Nicht direkt. Vor Rom ist nichts einsam. Ich war einmal dort. Bentini hatte mich hingeführt.«
»Warum?«
»Er wollte mir die Umgebung von Rom zeigen. Wir sind mit dem Boot gefahren.«
»Und ein Boot wurde erwähnt«, sagte Suko. »Richtig.«
»Hatten die beiden vor, eine Bootsfahrt zu machen?« Ignatius war nicht der Meinung. »Nein, das glaube ich nicht. Keine Bootsfahrt. Doch ihr Ziel ist…«
»Das Boot«, sagte Suko. »Kann sein.«
Ich schaute meinen Freund an. »Lohnt es sich für uns, dem Tal einen Besuch abzustatten?«
»Ja, ich möchte mich bewegen. Ich will endlich etwas tun. Ich kann nicht einfach nur hier herumsitzen und darauf warten, daß sich der Fall von allein löst, was sicherlich nicht eintreten wird. Vielleicht haben wir ja Glück.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das Benehmen dieses Mannes wird immer eigenartiger. Es sieht mir nach einer Flucht aus.«
»Oder nach einem Alleingang«, sagte der Mönch.
»Meinst du?«
»Ich kenne ihn nicht so gut. Eigentlich ist es nicht die Art eines Mitglieds der Weißen Macht, es auf eigene Faust zu versuchen. Aber ich kenne die Strukturen leider nicht so gut, um mich da festlegen zu können. Wie dem auch sei, wir sollten fahren.«
»Und mich würde interessieren, wer Bentini begleitet hat? Wer ist dieser Mann gewesen?«
Keiner wußte eine Antwort, bis ich sagte: »Wenn es nicht so verrückt klingen würde, dann würde ich glattweg auf einen gewissen Lorenzo Amber tippen.«
Vier Augen schauten mich an.
»Verrückt?« murmelte Suko. »Oft ist eben das Verrückte sehr normal.«
Diesmal hielt uns nichts auf. Obwohl wir darüber nicht sprachen, wußten wir Bescheid. Wir alle hatten ein nicht eben gutes Gefühl…
***
Sie waren aus der Stadt herausgefahren und hatten während der Fahrt nur wenig gesprochen. Beide Männer saßen im Fond, schauten vor sich hin und hingen ihren Gedanken nach. Auch der sonst so geschwätzige Fahrer hielt sich zurück, nur hin und wieder summte er einen Hit von Gianna Nanini.
Wie auch Bentini. Er konnte es nicht fassen, in einen gefährlichen Kreislauf hineingeraten zu sein. Manchmal war ihm direkt übel, wenn er an die Zukunft dachte. In rosigen Farben malte er sie sich nicht eben aus, sie stand wie eine düstere Wand vor ihm, und er
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