Die weiße Macht
Spitze stand, aber nun selbst zu einem Problem geworden war.
Er sann darüber nach, ob es richtig gewesen war, Father Ignatius aus dem schottischen Kloster St. Patrick zu holen. Er war ein agiler Mensch, er ging die Probleme direkt an, und in der letzten Zeit hatte Bentini ihn einige Male bremsen müssen, ohne ihm aber den Wunsch abschlagen zu können, seine beiden Freunde aus London zu holen.
Bentini hatte aus diesem Grunde die Flucht in die Einsamkeit gewählt.
Dabei wußte er genau, daß es nicht richtig gewesen war, denn Sinclair und Suko würden natürlich Fragen stellen, und ob sie seinem Freund Ignatius die Antworten abnahmen, stand noch in den Sternen.
Jedenfalls rollte der Schneeball, und er war im Lauf der Zeit zu einer Lawine gewachsen.
Bentini hob den Kopf. Er schaute gegen das Blätterdach der Bäume über ihm. Es war dicht, dunkelgrün und beinahe schon schwarz. Das Sonnenlicht wurde gefiltert. Nur einige zittrige Flecken fielen auf ihn und die Bank nieder.
Es war bereits Nachmittag. Bis zum frühen Abend, so hatte er sich vorgenommen, wollte er eine Entscheidung getroffen haben. Entweder das Gespräch suchen oder den anderen Weg einschlagen, der so endgültig war. Noch immer wußte er es nicht. Dabei hatte er damit gerechnet, daß ihm in den Stunden der Muße die Lösung einfallen würde.
Bisher war nichts geschehen.
Dafür hörte er das Singen und Zwitschern der Vögel, als wollten sie ihm erklären, wie schön doch das Leben auf diesem Planeten sein konnte.
Er hörte knirschend Geräusche, und sein Gedankengang wurde unterbrochen. Erhielt er Besuch? Er schaute auf die Uhr. Eigentlich war es noch zu früh.
Die Haltung des Monsignore entspannte sich wieder, als er einen der Kardinäle sah, der mit auf den Rücken gelegten Händen über den Weg schritt, an ihm vorbeiging und dabei nicht einmal den Kopf drehte. Der Mann war zu sehr in Gedanken versunken. Wahrscheinlich dachte er über Geld nach, denn er gehörte zum Finanzrat des Vatikans.
Der Kardinal verschwand, und Bentini atmete auf. Er hätte sich nur ungern mit diesem Menschen unterhalten, denn bei einem Gespräch wäre es wieder um die Finanzierung der Weißen Macht gegangen. Da gab es ständig Probleme. Ruhe kehrte ein.
Der Touristenlärm blieb draußen. Die Bäume und die Mauern filterten die Geräusche. Durch eine Lücke schaute Bentini zum Himmel. Er zeigte sich in einem weichen, aber auch strahlenden Blau. So strahlend wie der Himmel hätte auch die Weiße Macht werden sollen, zumindest hatte sich Bentini dies vorgenommen, doch der Weg dorthin war nicht nur lang, sondern auch sehr steinig. Wie es aussah, würde er das Ziel wohl kaum erreichen können.
Es ist für einen Menschen schlimm, wenn er von etwas eingeholt wird, das er längst verdrängt und vergessen zu haben glaubte.
Bentini tupfte Schweiß aus seinem Gesicht. Er schaute auf die Uhr. Der Zeitpunkt war überschritten, was ihn wiederum ärgerte. Er überlegte, was er tun sollte, wenn Lorenzo Amber ihn sitzenließ. Einfach weiterarbeiten, als wäre nichts geschehen?
Bentini wußte es nicht. Er wollte auch keinen Plan machen, sondern alles an sich herankommen lassen.
Diesmal hörte er keine Schritte, dafür hinter sich ein leichtes Rascheln der Blätter. Als er sich umdrehen wollte, hörte er Lorenzo Ambers Flüsterstimme.
»Keine Sorge, Monsignore, ich bin es. Sie können so bleiben. Nur keine Hektik.«
»Schon gut.« Er legte wieder die Hände zusammen und wartete darauf, daß sich Amber neben ihn setzte. Wie ein Schatten tauchte der jüngste Mann auf. Er lächelte knapp und nahm seinen Platz rechts neben Bentini ein.
»Hat jemand etwas bemerkt?« wollte er wissen.
»Nein, nichts, denke ich.«
»Sehr gut.«
Bentini räusperte sich.
»Und Sie sind ohne Schwierigkeiten hier in den Garten gelangt?«
»Dank Ihres Ausweises.«
»Ja, das war klar!«
Lorenzo Amber schaute zum Himmel. Er hatte die Beine ausgestreckt und die Hände im Nacken verschränkt. Er war weltlich gekleidet und hatte die Jacke ausgezogen. Zusammengefaltet lag sie auf seinen Oberschenkeln. »Ist das nicht ein herrlicher Tag heute, Monsignore?«
»Äußerlich schon, aber ich sehe bereits die ersten Schatten, die sich über unseren Köpfen zusammenballen.«
»Wieso denn?«
Bentini hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen sagen. Es ist nicht alles so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Und bei Ihnen wohl auch nicht.«
»Ich persönlich kann nicht klagen.«
»Das freut mich.«
»Sie
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