Die weiße Macht
Baal war in alttestamentarischer Zeit wieder der erste Götze, an den sich das Volk erinnerte. Er und die Lade stehen in einer besonderen Verbindung. Wir achten darauf, daß niemand an die Lade herankommen kann. Wenn er einen bestimmten Weg nimmt, muß er unsere Spuren kreuzen.«
»Das ist wohl geschehen, nicht?«
»Sehr richtig. Ihr habt drei eurer Soldaten geschickt. Zwei hat es voll erwischt, den dritten, Lorenzo haben wir uns aufgespart, denn ihn brauchten wir als Lockvogel. Ich habe ihn mir vorgenommen, und er konnte meinen Reizen nicht widerstehen. Damit stand fest, daß er die Seiten gewechselt hat. Er steht jetzt voll und ganz zu unserer Verfügung. Du hast es selbst erlebt, denn es ist Lorenzo gewesen, der dich hergebracht hat. Lorenzo, mein Geliebter, wenn du begreifst.«
»Nein, ich schaffe es nicht.«
»Es ist nicht schlimm. Jedenfalls haben wir der Weißen Macht den Kampf angesagt, und wir werden uns genau an die Personen halten, die wir auch kennen, Bentini.«
Schweiß lief über das Gesicht des Monsignores. Er kümmerte sich nicht darum und versuchte nur, den Verstand unter Kontrolle zu halten, um sich nicht von seinen Gefühlen wegschwemmen zu lassen. Das alles war noch immer für ihn kaum zu glauben, aber er mußte, je mehr Zeit verging, die Dinge akzeptieren.
Gedanklich kehrte er zu ihrer letzten Aussage zurück. Ihm fiel ein, daß sie von ihr bekannten Personen der Weißen Macht gesprochen hatte, und diesen Faden nahm er noch einmal auf.
»Du willst die Weiße Macht zerstören, nicht wahr?«
»Ja, du hast es erfaßt.«
»Das wird dir niemals gelingen. Sie ist sehr mächtig, sie weiß sich zu wehren.«
Amelia schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Bentini. Daß ihre Macht begrenzt ist, habe ich selbst erleben können. Selbst du hast dich in unserem Netz verfangen.«
»Und? Willst du mich auch umpolen? Es wird dir nicht gelingen, Amelia.«
Sie lächelte ihn spöttisch an. »Doch, es würde mir gelingen. Du bist kein Problem für mich, aber es kann durchaus sein, daß ich es nicht will und andere Pläne mit dir vorhabe.«
»Welche?«
»Ich werde dich zu uns bringen.«
»Bitte? Ich bin hier.«
»Nein, Bentini, das ist ein Außenquartier. Unser Zentrum befindet sich mitten in Rom. Ich bin stolz darauf, es aufgebaut zu haben. Du wirst dich sicherlich gefragt haben, wie ich leben konnte, nicht wahr?«
»Stimmt.« Bentini nickte. Er schaute zu, wie sie mit den Händen über ihre Brüste strich, die sich scharf unter dem dünnen Stoff der Bluse abzeichneten.
»Ich habe mein Geld verdient«, sagte sie und ließ die Hände sinken, »mit dem ältesten Gewerbe der Welt.«
Bentini hatte gedacht, nicht mehr erschrecken zu können. Dieses Geständnis jedoch ließ ihn zusammenzucken. »Du warst… du bist… du warst eine Hure?«
»Genau das bin ich!«
»Aber…«
»Laß mich weitersprechen, Bentini. Es paßt so wunderbar zu Baal. Huren, Geld und Macht, all das findet sich in einem Bordell zusammen. Und ich bin die Leiterin dieses Hauses, in dem nur Gäste verkehren, die entsprechend gut gestellt sind. Meine Mädchen und ich umsorgen sie. Wir reden mit ihnen über alles, und so bekommen wir nicht nur manche Insider-Informationen, wir lassen auch unsere oder Baals Ideologie in die Gespräche mit einfließen. Auf diese Art und Weise bereiten wir den Boden für seine Rückkehr vor.«
»Mitten in Rom?« hauchte Bentini.
»Ja…« Sie freute sich. »Wenn du wüßtest, wer unsere Gäste sind, würdest du Augen machen. Politiker, Wirtschaftskapitäne, selbst Mitglieder aus deinem Kreis sind bei uns willkommen und gern gesehene Gäste. Auf diesem Gebiet verschmilzt alles. Du brauchst nur in die Tagespresse zu schauen. Jeden Tag kannst du von einem neuen Skandal lesen, der das Land erschüttert, und wenn ich ehrlich sein soll, dann habe ich das kommen sehen, denn es steht längst fest, daß der Glaube zu Baal auch eine Alternative für die Mafia ist. Ihre Größen sind mir nicht unbekannt, und bei uns im Haus wurden manche Verhandlungen geführt. Das aber ist nur die eine Seite, es gibt noch eine zweite, und die gehört Baal. Er befindet sich bei uns, er ist das eigentliche Zentrum. Durch seine Anbetung gibt er uns die Kraft, die wir brauchen. Schau in meine Augen, Bentini. Siehst du ihn dort nicht leuchten?«
Nur für einen kurzen Augenblick sah er hin. Er sah den goldenen Schimmer und fröstelte plötzlich, denn dieses Funkeln hatte ihm keine Wärme vermittelt, es war so verdammt eisig
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