Die weiße Macht
ein Boot in dem kleinen abgetrennten Hafen gelegen, wäre es kein Problem gewesen, aber vom Rand der Straße her, wo Ignatius den Fiat geparkt hatte, schauten wir auf die Körper zahlreicher Motor- und Segelboote, die auf den Wellen dümpelten.
»Habt ihr eine Idee?« fragte der Mönch.
Ich deutete auf eine Treppe. Sie schnitt in die Böschung und endete kurz vor dem Wasser. »Ja, die habe ich. Wir werden zum Ufer gehen und dort fragen. Genug Menschen halten sich dort auf. Jeder kennt hier jeden. Bentini oder Amber müßten aufgefallen sein, vorausgesetzt, sie sind von hier gestartet.«
»Einen anderen Ort wüßte ich nicht in der Nähe«, sagte Father Ignatius.
Suko ging schon vor. Ich blieb neben Ignatius, denn die Treppe war breit genug. »John, ich mache mir sehr große Sorgen. Ich habe das Gefühl, daß wir Bentini und Amber verloren haben.«
Wegen der Sonne setzte ich die Brille wieder auf. Der Wind brachte einen etwas kühleren Luftstrom vom Wasser her mit. Dennoch klebte mir das Hemd am Körper. »Da wirst du gar nicht mal so unrecht haben, alter Freund. Ich glaube daran, daß Bentini in die Fänge der Goldenen geraten ist. Der Götze, die Macht…« Ich hob die Schultern. »Vielleicht ist er diesen Verlockungen erlegen.«
»Nein, nicht er.«
»Kannst du in einen Menschen hineinschauen?«
»Das kann ich nicht, aber ich glaube ihn zu kennen. Wenn es stimmt, was du gesagt hast, dann hat man ihn gezwungen. Da würde ich dir sogar zustimmen.«
»Und wer sollte ihn gezwungen haben?«
Der Mönch hob die Schultern. »Es bleibt eigentlich nur eine Person, Lorenzo Amber.«
»Das denke ich auch.«
Wir hatten das Ende der Treppe erreicht, wo Suko auf uns wartete. Nicht weit entfernt stand ein kleines Bootshaus, das auch als kleine Gaststätte umgebaut worden war. Dort wurden Getränke serviert und lockere, leichte Imbisse.
Man schaute uns, die Fremden, zwar an, aber niemand traf Anstalten mit uns zu sprechen. Die Leute waren mit sich selbst und den Booten beschäftigt. Einige schrubbten Decks, andere wiederum inspizierten ihre Segel.
»Was ist mit einem Drink?« schlug Suko vor.
»Hast du Durst?«
Mein Freund lächelte. »Auch das, Ignatius, aber in einer Kneipe erfährt man oft mehr.«
»Stimmt. Daran habe ich nicht gedacht. Ich bin vom Weltlichen zu weit schon ab.«
»Das kommt wieder«, sagte ich und schlug ihm locker auf die Schulter.
Wir betraten den Raum, fanden genügend leere Tische und nahmen einen, der am Fenster stand. Von diesem Platz aus konnten wir auch den Fluß gut beobachten.
Der Wirt war ein Mann mit einem gewaltigen Schnauzbart. Er trug eine helle Hose und ein rotes Unterhemd. Als er uns sah, hörte er auf, die anderen Tische abzuwischen und baute sich nickend neben uns auf.
»Was darf es denn sein?«
Wir bestellten Wasser.
»Sonst nichts?«
»Was denn noch?«
»Ich habe einen guten Grappa.«
»Zu heiß dafür«, sagte ich.
»Also Wasser.«
»Si.«
Er ging zur Theke und holte die Flaschen aus dem Kühlschrank. Ignatius hatte ihm mit gerunzelter Stirn nachgeschaut. »Ich weiß nicht, ob wir aus ihm etwas herausbekommen werden, denn sehr gesprächig ist er mir nicht vorgekommen.«
»Vielleicht hätten wir doch einen Grappa bestellen sollen«, meinte Suko.
»Einer wirft uns nicht um«, sagte ich und bestellte noch drei dieser klaren Schnäpse. Der Wirt war zufrieden, packte die Gläser auf das Tablett, kam zu uns und blieb stehen, als er sah, daß ich nach dem Portemonnaie griff.
Er nannte eine Summe, die ich aufrundete. »Danke sehr, das ist…«
»Dafür hätten wir ein paar Fragen«, sagte Ignatius.
»Ach ja?«
»Nichts Schlimmes«, versicherte der Mönch, denn er hatte die Abwehrhaltung des Mannes gesehen. »Wir suchen zwei Bekannte, die ebenfalls ein Boot hier liegen haben sollen. Als Wirt kennen Sie bestimmt alle Eigner.«
»Kann man sagen. Wie heißen die Leute denn?«
»Bentini und Amber.«
Der Schnauzbart wiederholte die Namen zweimal und hob die Schultern.
»Komisch, die habe ich nie gehört. Wie sieht denn ihr Boot aus, und wie heißt es?«
»Das wissen wir leider nicht.«
»Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
»Und wenn wir Ihnen eine Beschreibung der beiden Personen geben?« fragte ich, darauf hoffend, daß er mein holpriges Italienisch verstanden hatte.
»Beschreibung?« Er zog die Nase hoch. »Können Sie mal versuchen, Signores.«
Das übernahm Father Ignatius, der die Sprache besser beherrschte. Der Mann mit dem Schnauzbart hörte auch zu.
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