Die weiße Macht
»Das ist ein Kraftpaket«, sagte er. »Setzt euch lieber hin.«
Am Heck war Platz für uns drei. Eine halbrunde Bank schmiegte sich unter die Reling.
Dann donnerte der Motor auf. Es war zu hören, daß Power dahintersteckte. Langsam verließen wir den Hafen, doch auf dem Fluß zeigte der kleine Flitzer, was in ihm steckte. Beim Gasgeben hob sich der Bug aus dem Wasser, als wäre ein Raubfisch dabei, noch schnell nach einer Beute zu schnappen.
Wir wurden gegen die Lehne gepreßt, als das Boot immer mehr Fahrt aufnahm. Der Wind peitschte in unsere Gesichter. Gischt flog in langen Flockenbahnen über die Reling hinweg, und wir befürchteten, daß der junge Mann zuviel des Guten tat.
»Nicht so schnell!« Ich mußte zweimal brüllen, bis er mich verstanden hatte.
Er drehte sich um. »Alles klar. Übrigens, ich heiße Emilio und fahre auch Rennen.«
»Das merkt man, aber jetzt bitte nicht.«
»Schon gut.«
Wir verloren an Fahrt, brauchten auch nicht mehr auf der Bank zu bleiben und standen auf, um eine bessere Sicht zu bekommen. Das Heck der Yacht befand sich vor uns, während das große Ausflugsschiff Abstand gewonnen hatte, sich aber langsam der linken Uferseite näherte, weil in der Ferne eine Anlegestelle in Sicht gekommen war.
Zum Glück führte der Tiber genügend Wasser, um den Schiffsverkehr nicht zu beeinträchtigen.
Emilio spielte hervorragend mit. Er behielt die Geschwindigkeit bei, und wir schauten weiterhin zu dieser kleinen weißen Yacht, ob sich an Deck etwas verändert hatte.
Es war nichts zu sehen. Auch Lorenzo Amber hatte sich wieder zurückgezogen. Ich ließ meine beiden Freunde stehen, ging zu Emilio und fragte nach einem Fernglas.
»Neben Ihnen in der Mulde.«
»Danke.«
Das Glas war leicht. Ich hob es an die Augen. Emilio betätigte den Wischer, der die Scheibe vom Spritzwasser säuberte. Mein Blick war klar und wurde durch das Glas einfach hervorragend.
Zum Greifen nahe sah ich das andere Boot vor mir. Ich konnte bis auf die kleine Brücke sehen, entdeckte leider nur die Rücken zweier dunkel gekleideter Männer.
Im Prinzip standen schon drei gegen uns. Aber entern wollte ich den Kahn keinesfalls. Ich war einfach davon überzeugt, daß er uns an das richtige Ziel bringen würde. Schließlich konnten wir nicht immer Pech haben. Die Wogen mußten uns mal nach oben spülen.
»Worum geht es eigentlich?« fragte Emilio. »Mafia?«
»Schon möglich.«
Er nickte. »Sie sind Ausländer, wie?«
»Ja, England.«
»Dann sind es internationale Verwicklungen, denke ich mir.«
»Genau, das macht die Sache so schwer.«
Wir bewegten uns in Richtung Norden, und die Ewige Stadt, durch die der Tiber fließt, lag wie auf dem Präsentierteller vor uns. Es gab Tausende von Zielen und ebenso viele Verstecke.
Jedenfalls mußte das Boot irgendwann anlegen, und genau dann würden wir weitersehen…
***
Monsignore Bentini wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Minutenlang nach dem Ablegen hatte er am Fenster gestanden und auf den Fluß geschaut. Er verglich die Strömung mit seinem Leben, das allmählich vorbeirann und irgendwann in das große Meer des Todes münden würde.
So und nicht anders sah er seine Lage, denn auf Amelia konnte er sich nicht verlassen.
Seine Tochter – ausgerechnet sie!
Bisher hatte er sie immer geheimhalten können, dies aus anderen Gründen, denn er konnte es sich in seiner Position nicht leisten, offiziell eine Tochter zu haben. Da war die Kirche knallhart, obwohl es genug Kinder von Priestern gab, doch die verschwieg man lieber, solange die Väter auch mitspielten und in der Kirche blieben.
Sollte es tatsächlich eintreffen, daß er diesen Fall lebend überstand, würde nichts mehr so sein wie früher. Dann würde er die Weiße Macht verlassen wollen, denn schon jetzt fühlte er sich als Versager. Erpreßbar durfte er in seiner Position nicht sein.
Hinzu kam noch etwas, und er glaubte seiner Tochter jedes Wort, das sie gesagt hatte. Er würde irgendwann an diesem Tag noch vor seiner ehemaligen Geliebten stehen, und er würde bei ihr den gleichen Haß spüren wie bei Amelia.
Wie sollte er sich ihr gegenüber verhalten? Wie sah sie überhaupt aus?
Sie war eine schöne Frau gewesen, man konnte Amelia mit ihr vergleichen, aber sie würde sich in den Jahren verändert haben. Älter wurde jeder, das war ein Gesetz der Natur. Nur bei ihr stellte er sich andere Dinge vor, die sich in seiner Phantasie bildeten, ohne jedoch konkret werden zu können.
Durch Rom windet
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