Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wittig
Vom Netzwerk:
herfährt. Damit die Röntgenkamera immer genau dort filmt, wo der Katheter in Aktion ist. Die Atmosphäre im Katheterlabor ist schon fast privat. Hier in Berlin steht am Kathetertisch nur der Kardiologe – nennen wir ihn Professor Anton Groß. Sein Patient »Herbert Klein« ist sogar wach und liegt vor ihm auf dem Tisch. Die Situation wirkt eher wie eine Besprechung und nicht wie ein Eingriff am Herzen.
    Es klingt wie Small Talk, als Professor Groß fragt: »Alles klar, Herr Klein? Sie machen doch noch Sport oder wie war das?« Herr Klein hat nur ein leichtes Beruhigungsmittel bekommen und scheint ebenso entspannt wie der Kardiologe. »Ja, ich jogge regelmäßig. Von dem Katheter spüre ich kaum was.« Professor Anton Groß schiebt gerade den kaum 2 Millimeter dünnen Katheterschlauch quer durch den Körper von Herbert Klein. Durch eine Hauptschlagader. Herbert Klein hat weißes, akkurat geschnittenes Haar, ist 65 Jahre und will seinen Ruhestand genießen. Beim Joggen hat er allerdings schon einige Male ein Gefühl der Enge am Herzen gehabt. Deshalb will er wissen, wie fit sein Herz ist. Professor Groß – das wird mir erst später klar – hat genau diesen Patienten sorgfältig für unsere Fernsehaufnahmen ausgesucht. Der Professor schaut nicht zum Patienten. Er blickt konzentriert auf eines der Displays, die anderthalb Meter vor ihm auf der anderen Seite des Kathetertisches aufgehängt sind. Hier verfolgt er auf dem Röntgenbild, wie sich der Katheter quer durch den Rumpf von Herbert Klein in Richtung Herz bewegt.
    Auf dem Röntgenbild ist der Katheter gut zu sehen. Als dunkler Strich markiert er das Blutgefäß, in dem er zum Herzen taucht. Sonst sind nur undeutliche Schemen zu erkennen. Abgesehen von der Wirbelsäule, die sich wie ein Stapel grauer Tonnen senkrecht durch die Bildmitte zieht. Die weichen Organe bieten dem Röntgenlicht kaum Widerstand, werfen nur ganz zarte Schatten. Zumindest ein Laie sieht nur wabernde Nebelschleier. Der Fachmann dagegen, der die Anatomie hier aus dem Effeff beherrscht, erkennt die Konturen der Organe. Professor Groß weiß: Die Katheterspitze ist jetzt direkt über dem Herzen, an der richtigen Stelle für den nächsten Schritt.
    »Wir geben jetzt das Kontrastmittel rein. Das wird sich ein bisschen warm anfühlen.« Auf dem Röntgenbild quillt aus dem Katheter eine dunkle Flüssigkeit. Mit dem Blut wird das Kontrastmittel in die Gefäße gespült und auf dem Display ist für einen Herzschlag lang das Bild der Herzkranzgefäße sichtbar. Ein mit Kontrastmittel gefülltes und deshalb dunkles Leitungsnetz, das den Herzmuskel mit Sauerstoff und Nahrung versorgt. Dann ist das Kontrastmittel weitergeflossen, hat sich verdünnt, »in Rauch« aufgelöst. Auf dem Display sind nur die Nebelschleier und der dunkle Katheter geblieben. Dreimal wird die Prozedur wiederholt. Um die Kranzgefäße, die sich wie ein dreischaufeliges Hirschgeweih um den Herzmuskel verzweigen, aus allen Richtungen abzubilden.
    Professor Groß nimmt mein Kamerateam und mich mit in einen Nebenraum, in dem ein halbes Dutzend große Monitore stehen. Natürlich ist der Film von der »Koronarangiografie« – also von der Darstellung der Herzkranzgefäße – auf Festplatte gespeichert. Der Kardiologe wählt aus den kurzen Sequenzen die Bilder mit der besten Darstellung und zeigt uns die neuralgischen Stellen in den Versorgungsbahnen. Unser Kardiologe legt die Stirn in Falten. Eine Engstelle missfällt ihm offenbar besonders. Hier hat das Blutgefäß über eine Strecke von einem knappen Zentimeter kaum noch die halbe Dicke. Professor Groß scheint seine Bedenken bedächtig hin und her zu bewegen. Dann sagt er mit kritischer Miene:
Ist es eine relevante Enge?
    »Hier sehen wir eine Enge. Aber die Frage ist: Ist es eine relevante Enge? Da der Patient ohne Beschwerden Sport treiben kann, muss die Versorgung an dieser Stelle ausreichend sein. Man könnte hier einen Stent setzen. Aber ich glaube, es ist besser zu warten. Und wenn sich Beschwerden einstellen sollten, können wir noch einmal nachschauen.«
    Ich bin schwer enttäuscht. Ich war mir sicher, dass wir hier im Herzlabor das Stenten würden filmen können. Das Aufdehnen der Engstelle mit einem Ballon. Und das Einsetzen des Stents. Der ist von Fabrik ab zu einem nur einen Millimeter dicken Geflecht zusammengefaltet. Der Maschendraht wird im Katheter zur aufgedehnten Engstelle geschoben und dann ebenfalls mit einem Ballon aufgefaltet und in das Gefäß gepresst, um

Weitere Kostenlose Bücher