Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wittig
Vom Netzwerk:
wurden. Die Kardiologen sagten wieder: »Moment mal, wir haben ja längst was Neues. Das funktioniert super.« Diesmal war es der drug-eluting stent . Wie zuvor der Ballon wurde jetzt der Stent mit einem Zellgift beschichtet. Gegen das Zuwuchern. Es kommt mir ein bisschen so vor wie die Geschichte von Hase und Igel. Nur dass der Igel in dieser Version der Geschichte nicht sagt: »Ich bin schon da!« Sondern: »Ich bin schon wieder weg.« Zuletzt haben auch die beschichteten Stents keinen Vorteil gegenüber der Behandlung nur mit Medikamenten gezeigt. Stent plus Medikamente bringt nicht mehr als Medikamente allein. Ein Grund: Der beschichtete Stent erzeugt häufiger Blutgerinnsel und steigert das Risiko für einen Schlaganfall. 12
Hase und Igel: »Ich bin schon wieder weg«
    Der Hase – die Wissenschaft – kommt mit dem vernichtenden Ergebnis der Langzeitstudie an. Aber der Igel ist schon wieder weg. Er experimentiert mit neuen Materialien. Der letzte Schrei: Stents aus resorbierbaren Polymeren. Also aus Kunststoffen, die sich langsam auflösen. Stellt sich nur die Frage: Wie soll ein nicht mehr vorhandener Stent das Wiederzuwuchern des Gefäßes verhindern? Lassen Sie mich hier einen kühnen Verdacht aussprechen: Er soll es gar nicht verhindern. Warum auch? Die Restenose ist doch nichts anderes als ein erneuter Grund für den Kardiologen, sich als Retter anzubieten. Man könnte das Ganze auch als ein »nachhaltiges Geschäftsmodell« bezeichnen. Im Gegensatz dazu wäre eine Heilung ja kontraproduktiv.
    Wenn die besagte Engstelle aber schon mit Maschendraht ausgekleidet ist, sieht das nicht so gut aus, wenn man da einen zweiten Stent reinsetzt. Obwohl auch das gemacht wird. Der Direktor einer kardiologischen Uniklinik sagte mir vor Kurzem, es sei in der Literatur ein Fall beschrieben, bei dem der Patient 67 Stents bekommen hatte. Selbst wenn pro Sitzung drei Stents implantiert wurden, sprechen wir hier von einem Geschäftsvolumen in der Größenordnung von 100 000 Euro. Dafür hätte es locker drei Bypassoperationen gegeben. Und die verschaffen den Patienten über viele Jahre Beschwerdefreiheit. Aber der Verdienst für die Klinik ist beim exzessiven Stenten deutlich höher. Der gleiche Kardiologe sprach übrigens auch von den Polymerstents, die sich selbst auflösen. Er sagte mit leuchtenden Augen: »Das ist toll. Da haben Sie wieder jungfräuliche Gefäße.« Mit den resorbierbaren Stents wird das Einsatzgebiet der koronaren Gefäßkrankheit für die Kardiologen vollends zum Paradies.
    Das Spiel wird weitergehen. Bei der zuständigen medizinischen Fachgesellschaft, der DGK, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. , heißt es im maßgeblichen Positionspapier zum aktuellen Stentmodell in der Zusammenfassung: »Der Einsatz von DES (drug-eluting stents) führt im Vergleich zu unbeschichteten Stents (BMS) zu einer Reduktion erneuter Revaskularisationen, während sich die klinischen Endpunkte wie Tod oder Myokardinfarkt nicht ändern.« 13 Auf Deutsch: weniger Zuwucherungen durch den beschichteten Stent. Aber die Patienten leben dadurch keinen Tag länger. Eine explizite Empfehlung, auf die weithin geübte Praxis des prophylaktischen Stentens zu verzichten, konnte ich in den Leitlinien nicht finden.
    In der Stuttgarter Zeitung stand es – mit Bezug auf die Metaanalyse, die die Sinnlosigkeit des prophylaktischen Stentens gezeigt hatte – so: »Während Ärzte nach außen hin das Loblied auf die evidenzbasierte Medizin (wissenschaftlich begründete Medizin, Anm. vom Autor) singen, nehmen sie oft in Wahrheit nur die Studien zur Kenntnis, die ihre eigenen Vorlieben unterstützen. Und sie ignorieren das, was ihrem eigenen Vorgehen widerspricht oder unpopulär erscheint«, so der Mediziner vom Albany Medical Center im Staat New York. »Natürlich verdienen Ärzte wie Kliniken mehr an den invasiven Verfahren – alle Anreize fördern die Verwendung von mehr Stents.« 14
Sorry, das war sinnlose Flickschusterei
    Es ist nicht zu erwarten, dass die zuständige Deutsche Kardiologische Gesellschaft nach 35 Jahren erfolgloser prophylaktischer Gefäßaufdehnung sagt: »Sorry, Leute, das war eine Sackgasse, wir haben hier sinnlos zig Milliarden versenkt. Das war Flickschusterei. Das war Kosmetik und keine Behandlung der koronaren Herzkrankheit. Das Grundproblem der Erkrankung können wir mit Gefäßaufdehnen offensichtlich nicht behandeln. Deshalb hören wir jetzt mit dem Unsinn auf.« Die

Weitere Kostenlose Bücher