Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
Kardiologische Gesellschaft hat mit dieser Behandlung enorm an Bedeutung gewonnen. Als »Interventionelle« sind sie vom Zuarbeiter zum Helden aufgestiegen. Und wer steigt schon gerne freiwillig wieder hinab vom Podest? Da sind wir schon wieder bei einer solchen medizinischen Fachgesellschaft gelandet. Das sind die Wächter der fachspezifischen Wahrheit. Das sind die, die vorgeben, was gemacht werden soll und welches Medikament verschrieben werden soll. Machtvolle Institutionen also. Die wir uns mal etwas näher anschauen sollten.
Zuvor aber noch ein Zitat von unserem Kardiologen aus Berlin. Es zeigt die bittere Konkurrenz zwischen Kardiologen und den Chirurgen im Kampf ums Herz: »Es wird für den Herzchirurgen das bleiben, was mit dem Herzkatheter nicht geht. Und wenn man sich die Zahlen ansieht, dann kann man sagen: Es ist nicht die Frage, ob die Herzchirurgie verschwinden wird, sondern nur, wann.«
Nach heutigem Wissensstand wäre das, was Prof. Groß prophezeit, übrigens fatal. Denn bisher sind es nur Herzchirurgen, die mit ihren Bypässen bei koronarer Herzkrankheit nachweisbar das Leben ihrer Patienten verlängern. Aus der wirtschaftlichen Perspektive einer Klinikleitung stellen sich die Zusammenhänge noch einmal anders dar: Unter der Prämisse der Gewinnmaximierung wird einfach zweifach kassiert. Erst stenten, so lange es geht. Dann Bypass. Damit die Kasse doppelt klingelt.
2. Deutschland: El Dorado
der Gesundheitsindustrie
Warum der weißen Mafia der Raubzug
in Deutschland so leichtfällt
In keinem Land der Welt existiert ein ideales, fachmedizinisch korrektes, vollkommen gerechtes Gesundheitssystem. Das wird es nach meiner Überzeugung auch nie geben. Denn ein Gesundheitssystem ist eine sehr komplexe Vernetzung medizinischer, wirtschaftlicher, ethischer und weltanschaulicher Aspekte. Ein Beispiel: Wollen wir eine wiederkehrende Krebserkrankung – ein Rezidiv – mit einer Chemotherapie behandeln, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent hilft? Auch wenn die Hilfe nur in einem durchschnittlichen »Pausieren« der Krebserkrankung von drei Monaten besteht, ohne dass eine Verlängerung der Lebenszeit erreicht wird? Sind wir bereit, 50 000 Euro auszugeben, um einem Krebspatienten diese drei Monate »progressionsfreies Überleben« zu ermöglichen? Wer muss dafür zurückstecken? Welche Krankheit wird nicht oder weniger intensiv behandelt? Wie viele Pflegekräfte in Altenheimen fehlen dafür? Kann die Politik auf den Preis des Medikaments einwirken? Der Fragenkatalog ließe sich erheblich erweitern. Sie sehen, da gibt es viel zu diskutieren. Und vieles ist am Ende »eine Frage des Standpunktes«. Umso mehr lohnt sich ein Blick auf die Institutionen, die in Deutschland zu einem großen Teil die Entscheidungen in diesen Fragen treffen, und der Versuch zu verstehen, was die leitenden Kriterien für diese Entscheidungen sind.
Die Fallstricke der medizinischen Selbstverwaltung
Wer die Deutungshoheit hat, welche Diagnostik und welche medizinische Therapie die jeweils richtige ist, der hat eine gewaltige Macht im Gesundheitssystem. Der beurteilt, was als fachgerecht gilt, und bestimmt damit über den Inhalt der im Fach maßgeblichen Leitlinien. Der entscheidet über die Aus- und Weiterbildung. Also darüber, mit welchem »Wissen« den Mitgliedern der Zunft die »Festplatte formatiert« wird. Er entscheidet schlicht, was an der medizinischen Basis letztlich gemacht wird. Diese Entscheider sind in Deutschland vor allem die »Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften«. Drei davon haben wir bereits kennengelernt. Und alle drei haben sich auf den ersten Blick nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert:
Für die Orthopädie zuständig ist die DGOOC (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie). Bei den Kardiologen hat die DGK ( Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. ) als oberstes Gremium das Sagen – eine der größten Gesellschaften mit aktuell über 6400 Mitgliedern. Und die Gynäkologen haben die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) . 159 weitere Wissenschaftliche Medizinische Fachgesellschaften gibt es in Deutschland.
Drei gravierende strukturelle Probleme hat dieses System der Fachgesellschaften als oberste Wächter und Lehrer der medizinischen Zünfte, so wie es bei uns etabliert ist:
Erstens: Verantwortlich für die Bewertung der medizinischen Prozeduren sind diejenigen, die mit den medizinischen Prozeduren
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