Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
darüber, dass ich bei meinen Dreharbeiten und dem Interview in seinem Institut gar nicht genau erklärt hätte, was denn die Stoßrichtung meines Berichts sei. Dennoch lud er mich zu einer Podiumsdiskussion zum Thema »Vitaminversorgung in Deutschland – ein Grund zur Sorge?« ein. Im Foyer der Landesbank in Stuttgart sollte die Diskussion stattfinden. Herr Prof. Biesalski sagte mir, er habe die Veranstaltung aus eigenen Mitteln finanziert. Anhand der Expertenaussagen dort könne ich mir ein sachliches Bild vom Stand der Diskussion über Vitaminpräparate machen. Natürlich fuhr ich hin.
Vitaminmangel in Deutschland?
Auf dem Podium saßen zwei Vertreter großer unabhängiger Institutionen der Ernährungswissenschaft: Prof. Gerhard Rechkemmer vom Max-Rubner-Institut, einem Bundesinstitut für Ernährungsforschung in Karlsruhe. Interessant, ihn hier zu finden. Schließlich war er in meiner Doku aufgetreten und hatte weiträumige Entwarnung gegeben bei der Frage »Droht eine Vitaminunterversorgung?« Das tat er auch hier gleich zu Beginn der Podiumsrunde. In die gleiche Kerbe schlug daraufhin auch Prof. Peter Stehle, Präsident der deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE. Beide sagten, im Allgemeinen herrsche kein Vitaminmangel in Deutschland. Diskutieren könne man über Folsäure (ein B-Vitamin) für junge Frauen mit Kinderwunsch. Und Vitamin D sei für Hochbetagte empfehlenswert, die nicht mehr genügend essen und sich wenig im Freien aufhalten (Vitamin D wird in der Haut mithilfe von Sonnenlicht produziert). Das seien die Ausnahmen in einer ansonsten gut mit Vitaminen versorgten Bevölkerung.
Auf diese beiden renommierten Wissenschaftler folgten Prof. Biesalski und drei oder vier weniger bekannte Kapazitäten, die erklärten, eine Vitaminunterversorgung in verschiedenen Gruppen der Gesellschaft feststellen zu können. So erklärte zum Beispiel Professor Ralf-J. Schulz, ein Altersforscher der Uni Köln, ältere Menschen litten generell an einem Vitamin-D-Mangel. Seltsam! Es war kaum ein halbes Jahr her, da hatte mir ebendieser Wissenschaftler in die Kamera erklärt, »solange ältere Menschen sich noch normal und ausgewogen ernähren und sich regelmäßig im Freien aufhalten, brauchen sie keine zusätzlichen Vitamine«. Woher der Sinneswandel? Am Ende der Veranstaltung bilanzierte der Schlussredner, es gebe ja offensichtlich eine beträchtliche Unterversorgung und damit bleibe das Thema Vitaminpräparate aktueller denn je. Und wer war dieser Schlussredner? Es war Dr. Manfred Eggersdorfer, der Forschungsleiter des weltgrößten Vitaminherstellers DSM aus Basel. Erinnern Sie sich? Er ist auch im Vorstand der Gesellschaft zur Vitaminforschung GFV, die den Epidemiologen Professor Hasford für eine Informationsveranstaltung für Journalisten eingekauft hatte. Um die kritische Vitaminmetastudie aus Kopenhagen mit fadenscheinigen Argumenten in den Staub zu treten.
Das Schlusswort hat der weltgrößte Vitaminhersteller
Ich war fast enttäuscht. Die Tatsache, dass der weltgrößte Vitaminhersteller seine eigene Bilanz der Diskussion vom Podium aus als »Konsens« präsentierte, machte die Veranstaltung völlig unglaubwürdig. Warum Herr Dr. Eggersdorfer so wenig Fingerspitzengefühl bewiesen hatte, konnte ich nicht verstehen. Was die Veranstaltung überhaupt sollte – es war kein Kamerateam da, kein erkennbares Interesse von Journalisten –, wollte mir nicht einleuchten. Eine fadenscheinige Inszenierung für 150 vitamininteressierte Bürger, die das Publikum bildeten. Und dafür das sicher nicht ganz billige Foyer der Baden-Württembergischen Landesbank zu mieten? Was war das für eine Aktion? Zwei Tage später aber ergab das alles einen Sinn. Denn da las ich – und wahrscheinlich einige Tausend weitere Journalisten – in einer Meldung des Nachrichtendienstes ots Folgendes:
»09.07.2010
Wissenschaftler warnen vor Vitamin-Defizit-Alarm in Deutschland
Deutschlands Vitaminversorgung muss deutlich besser werden. Sonst droht uns langfristig ein Anstieg typischer Alterskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose oder sogar Demenz. In Deutschland sind zwar ausgeprägte Vitaminmangelzustände nur noch selten, aber die schleichende Unterversorgung über Jahre hinweg, die hierzulande für die Vitamine A, D, E und das B-Vitamin Folsäure ausgeprägt ist, birgt die Gefahr, dass die Gesundheit der Betroffenen im fortgeschrittenen Alter ernsthaft leidet.
Vitaminpräparate sind in angemessener Dosierung
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