Die Weisse Massai
Tränen des Entsetzens und auch der Wut auf meinen Mann laufen mir über das Gesicht. Wenn wir nur Maralal noch rechtzeitig erreichen! Zu Hause steht Mama da und versteht nicht, warum ich alle Wolldecken und sogar unser Fell aus der Manyatta reiße und im Landrover hinten ausbreite. Ich habe keine Zeit, ihr die Geschichte zu erklären. Hier geht es um Minuten. Ich kann kaum klar denken, als ich mit dem Wagen losbrause. Ein Blick auf die Mission bestätigt mir, daß niemand da ist, weil beide Fahrzeuge fehlen. Bei der Blockhütte halte ich an, um zusammen mit dem Mädchen der Frau in den Wagen zu helfen.
Es ist schwer, da sie nicht mehr stehen kann. Wir legen sie vorsichtig auf die beiden Decken, die nur gegen das kalte Blech Schutz geben und keinesfalls genügen werden, um die großen Schläge zu dämpfen. Das Mädchen steigt ebenfalls ein, und wir fahren los. Beim »Arzthäuschen« halte ich an, um zu schauen, ob der Doktor vielleicht mitkommt. Aber auch er ist nicht da! Wo sind nur alle, wenn man sie einmal braucht? Statt dessen ist ein Fremder aus Maralal dort und will mitfahren. Er ist kein Samburu.
Es geht um Leben und Tod, und trotzdem kann ich nicht so schnell fahren, da die Frau sonst hinten im Wagen herumrollt. Bei jedem Schlag schreit sie laut auf. Das Mädchen spricht leise auf sie ein, während sie den Kopf auf ihrem Schoß festhält. Schweißgebadet muß ich mir die Tränen aus den Augen wischen. Aus Eifersucht läßt dieser Lehrer seine Frau verrecken! Er, der jeden Sonntag in der Kirche die Messe übersetzt, er, der schreiben und lesen kann. Ich könnte es kaum glauben, hätte ich nicht selbst die Reaktion meines Mannes erlebt. Bei ihm zählt offensichtlich ein Frauenleben weniger als das einer Ziege. Wäre ein Krieger in Not, wie der, den wir einen Monat in unserer Hütte hatten, Lketinga würde wahrscheinlich anders reagieren. Jetzt geht es jedoch nur um eine Frau, die nicht mal seine ist. Was geschieht, wenn bei mir Komplikationen auftreten?
All diese Überlegungen schießen mir durch den Kopf, während der Wagen langsam vorwärtskommt. Die Frau verliert immer wieder für kurze Momente das Bewußtsein, und das Stöhnen hört auf. Wir sind nun bei den Felsen angelangt, und mir wird übel, wenn ich daran denke, wie es nun den Wagen hin- und herschütteln wird. Hier nützt alles langsame Fahren nichts mehr. Zum Hausmädchen sage ich, es soll die Frau halten, so gut es geht. Der Mann neben mir hat noch kein Wort von sich gegeben. Der Wagen klettert im Vierrad über die großen Felsbrocken. Die Frau schreit entsetzlich. Als wir es geschafft haben, wird sie augenblicklich wieder ruhig. Ich fahre so schnell wie möglich durch den Dschungel. Kurz vor dem Todeshang muß ich bergauf den Vierrad einschalten. Der Wagen schleicht den Berg hinauf. In der Mitte des Hangs stottert plötzlich der Motor. Ich schaue sofort auf die Benzinuhr und bin beruhigt. Er kriecht normal weiter, doch dann stottert er wieder. Der Wagen ruckt und rumpelt gerade noch auf die Anhöhe, um dann völlig still zu stehen, direkt neben dem Plateau, auf dem ich schon einmal festsaß.
Verzweifelt versuche ich, den Motor erneut zu starten. Doch es rührt sich nichts. Nun wird der Mann neben mir munter. Wir steigen aus und begutachten den Motor. Alle Zündkerzen nehme ich heraus, doch sie sind in Ordnung. Die Batterie ist aufgefüllt. Wo ist das Problem von diesem verdammten Wagen? Ich schüttle alle Kabel, schaue unter den Wagen, doch ich kann die Ursache nicht finden. Wieder und wieder probiere ich es, doch nichts geht mehr. Nicht einmal das Licht funktioniert.
Mittlerweile wird es dunkel, und die Riesenbremsen fressen uns fast auf. Ich bekomme nun wirklich Angst. Hinten im Wagen stöhnt die Frau. Die Wolldecken sind voller Blut. Ich erkläre dem Fremden, daß wir hier verloren sind, weil diese Straße fast nicht benützt wird. Es bleibt nur die Möglichkeit, daß er in Maralal Hilfe holt. Zu Fuß, rechne ich, schafft er es in anderthalb Stunden. Er weigert sich, ohne Waffe allein loszugehen. Nun drehe ich völlig durch und beschimpfe ihn wütend, weil er nicht begreift, daß es so oder so sehr gefährlich ist, und je länger er wartet, desto dunkler und kälter wird es. Wir haben nur eine Chance, wenn er jetzt aufbricht. Endlich macht er sich auf den Weg.
Frühestens in zwei Stunden werden wir Hilfe haben. Ich öffne den Wagen hinten und versuche, mit der Frau zu sprechen. Aber sie ist wieder für kurze Zeit bewußtlos. Es wird kalt,
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