Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weisse Massai

Die Weisse Massai

Titel: Die Weisse Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
Vom Netzwerk:
werden in unser Dornengehege getrieben. Etwa dreißig Tiere kommen in die Mitte des Krals, der nochmals mit Dornengestrüpp verbarrikadiert ist. Dann geht die Mama mit einer Kalebasse zu den Ziegen, um zu melken. Die gewonnene Milch reicht gerade für den Chai, wie ich später feststellen muß. Die Herde wird von einem etwa achtjährigen Knaben betreut. Er setzt sich bei der Manyatta nieder und beobachtet mich ängstlich, während er durstig zwei Becher Wasser hinunterkippt. Es ist der Sohn von Lketingas älterem Bruder.
    Eine Stunde später ist es dunkel. Wir sitzen zu viert in der kleinen Manyatta, die Mama vorne neben dem Eingang und neben ihr das verschreckte Mädchen Saguna, die etwa drei Jahre alt ist. Saguna ist die kleine Schwester des Jungen. Sie drückt sich ängstlich an ihre Großmutter, die jetzt ihre Mutter ist. Wenn das erste Mädchen des ältesten Sohnes alt genug sei, gehöre es der Mutter, als eine Art Altershilfe zum Holz sammeln oder Wasser holen, erklärt mir Lketinga.
    Wir beide bleiben auf dem Kuhfell sitzen. Die Mama stochert zwischen den drei Feuersteinen in der Asche und holt versteckte Glut zum Vorschein. Dann bläst sie langsam, aber ständig auf die Funken. Dadurch entsteht für einige Minuten beißender Rauch, der mir die Tränen in die Augen treibt. Alle lachen. Als ich auch noch einen Hustenanfall bekomme, quetsche ich mich ins Freie. Luft, Luft, ist das einzige, was ich denken kann.
    Draußen vor dem Hüttchen ist es stockfinster. Nur Millionen Sterne erscheinen so nah, als könnte man sie vom Himmel pflücken. Ich genieße dieses Gefühl der Ruhe. Überall sieht man das Flackern der Feuer in den Manyattas. Auch in unserer brennt es gemütlich. Die Mama kocht Chai, unser Abendessen. Nach dem Tee plagt mich meine Blase. Lketinga lacht: »Here no toilet, only bush. Come with me, Corinne!« Geschmeidig geht er voraus, kippt einen Dornenbusch zur Seite, und ein Durchgang bildet sich. Der Dornenzaun ist die einzige Sicherheit gegen wilde Tiere. Wir entfernen uns etwa dreihundert Meter vom Kral, und er zeigt mit seinem Rungu auf einen Busch, der in Zukunft mein WC sein wird. Pippi kann ich nachts auch neben der Manyatta machen, denn der Sand saugt alles auf. Aber den Rest dürfe ich niemals in deren Nähe erledigen, sonst müßten sie dem Nachbarn eine Ziege opfern, und wir müßten umziehen, was eine große Schande bedeute.
    Zurück bei der Manyatta wird alles mit dem Gebüsch verriegelt, und wir ziehen uns auf das Kuhfell zurück. Waschen kann man sich hier nicht, denn das Wasser reicht gerade für den Chai. Als ich Lketinga nach der Körperpflege frage, meint er: »Tomorrow at the river, no problem!« Während es in der Hütte durch das Feuer recht warm wird, ist es draußen kühl. Das kleine Mädchen schläft bereits nackt neben der Großmutter, und wir drei versuchen, einander zu unterhalten. Zwischen acht und neun Uhr gehen die Menschen hier schlafen. Auch wir nisten uns ein, da das Feuer nachläßt und wir uns kaum noch sehen. Lketinga und ich kuscheln uns eng aneinander. Obwohl wir beide mehr wollen, geschieht natürlich nichts in Gegenwart der Mutter und in dieser endlosen Stille.
    Die erste Nacht schlafe ich schlecht, da ich den harten Boden nicht gewöhnt bin. Ich drehe mich von einer Seite auf die andere und lausche den verschiedenen Geräuschen nach. Ab und zu bimmelt das Glöckchen einer Ziege, und für mich klingt es fast wie eine Kirchenglocke in dieser lautlosen Nacht. In der Ferne heult irgendein Tier. Später raschelt es im Dornengestrüpp. Ja, ich höre es deutlich, da sucht jemand den Eingang zum Kral. Mein Herz schlägt bis zum Hals, während ich angestrengt horche. Es kommt jemand. Liegend spähe ich durch den kleinen Eingang und sehe zwei schwarze Balken, nein Beine, und zwei Speerenden. Gleich darauf tönt eine Männerstimme: »Supa Moran!« Ich stoße Lketinga in die Seite und flüstere: »Darling, somebody is here.« Er stößt mir unbekannte Laute aus, die sich fast wie ein Grunzen anhören, und starrt mich für den Bruchteil einer Sekunde fast böse an. »Outside is somebody«, erkläre ich aufgeregt. Wieder ertönt die Stimme: »Moran supa!« Dann werden einige Sätze gewechselt, worauf sich die Beine bewegen und verschwinden. »What’s the problem?« frage ich. Der Mann, ein anderer Krieger, wollte hier übernachten, was normalerweise auch kein Problem sei, aber weil ich hier bin, gehe es nicht. Er versuche, in einer anderen Manyatta unterzukommen. Ich solle

Weitere Kostenlose Bücher