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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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würde ihm wohl kaum eine Wahl bleiben.
    Ein schmächtiger, grauhaariger Magier stieg rasch die Stufen hinauf und schritt durch die offene Doppeltür an der rechten Seite der Eingangshalle in die Große Halle, den Sitzungssaal.
    »Sverlik! Kommt den ganzen Weg von Fenard …«
    »Wie geht es mit dem jungen Präfekten …«
    Die Stimmen entfernten sich. Ein anderer Magier ging an Cerryl, Faltar und Bealtur vorbei, dann blieb er stehen und starrte die drei an. Sein Haar war von einer unglaublich goldenen Farbe und um Augen und Mund zogen sich tiefe Linien.
    Cerryl wartete. Hatte man ihn bei etwas ertappt, das er nicht hätte tun sollen?
    »Ja, ja, ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich hier stand und dachte, ich würde wirklich zu gern wissen, was in der Großen Halle vor sich geht.« Aus dem gelben Gesicht des Mannes blitzten ebenso gelbe Zähne. »Dann wird man ein richtiger Magier und es ist nicht mehr nur annähernd so aufregend.« Er lachte freundlich und ging weiter zur Halle.
    »O doch, es wird bestimmt aufregend«, murmelte Bealtur; seine Augen folgten dem Weißen Magier, bis er in der Halle verschwunden war.
    Schwere Schritte – und eine Ahnung der Macht – kamen auf die drei zu.
    Cerryl wusste schon, dass es sich um Jeslek handelte, noch bevor er sich umgedreht hatte.
    »Ihr werdet nicht lernen, wie man Magier wird, wenn ihr hier herumsteht und zuseht, wie die Magier in die Halle gehen.« Jesleks Kometenanstecknadel schien zu strahlen, so wie auch die sonnengelben Augen, als er die drei Schüler eindringlich ansah.
    Cerryl verneigte den Kopf, er hatte Jesleks Worte über respektvolles Schweigen noch im Ohr.
    »Gut. Ihr habt mich verstanden, wie ich sehe. Der Studiersaal ist geeigneter für euch.« Das vertraute breite und oberflächliche Lächeln folgte seinen Worten.
    Cerryl verbeugte sich halb, die anderen taten es ihm gleich.
    »Fort mit euch.«
    »Ja, Ser.«
    Jeslek sah den dreien noch hinterher, bis sie in den Bogengang zum Hof einschwenkten.
    Als die Schüler den Hof überquerten und den Springbrunnen hinter sich ließen, sah Bealtur zurück zum Eingang der Großen Halle.
    Cerryl richtete seinen Blick stur auf den Eingang zum Rückgebäude. Wieder hatte er das Gefühl, dass man ihn durch ein Glas beobachtete. Aber wer? Die Magier versammelten sich doch gerade …
    Als er die Klinke an der Tür zu seiner Kammer berührte, verschwand dieses Gefühl augenblicklich wieder. Er trat ins Zimmer und fand auf seinem Schreibtisch einen irdenen Humpen und daneben eine Flasche, eine richtige Glasflasche.
    Er hob den Humpen hoch – er war leer –, dann stellte er ihn wieder hin und hielt die Flasche gegen das Licht. Er konnte nicht genau erkennen, um welche Flüssigkeit es sich handelte, also stellte er die Flasche wieder auf den Tisch und entkorkte sie. Das fast ein wenig zu starke Aroma von Apfelwein strömte aus der Flasche.
    Warum sollte jemand Apfelwein in seine Zelle stellen?
    Er sah sich die Flasche an und roch daran, dann goss er etwas davon in den Humpen. Er betrachtete die Flüssigkeit und schnupperte noch einmal daran. Sie roch tatsächlich nach Apfelwein.
    Er sah sich das Getränk genau an und versuchte, es mit seinen Chaos-Sinnen zu betasten. Plötzlich wich er zurück, das hässliche Weißrot des Chaos schien aus der Flasche und dem Humpen zu leuchten.
    Gift? Bedeutete das Gefühl von Chaos in Essen und Trinken, dass es sich um Gift handelte? Cerryl sah sich um, doch er glaubte nicht, dass ihn gerade jemand durch ein Spähglas beobachtete. Er ließ Humpen und Flasche unter seiner Tunika verschwinden, ging zur Tür und horchte, bis der Flur leer zu sein schien.
    Cerryl verließ die Zelle und schlich über den Flur zu den Latrinen; er war froh, dass es Latrinen in den Hallen gab und keine Nachttöpfe. Er schlüpfte in das hinterste Abteil, wo er den Apfelwein in die Dunkelheit schüttete. Anschließend wischte er die Flasche gründlich mit der Tunika ab in der Hoffnung, dass damit jede Spur von Chaos verwischt war. Cerryl stellte die Flasche und den Humpen in die Ecke und schlich in den daneben liegenden, glücklicherweise leeren Waschraum. Erst dort konnte er erleichtert aufatmen.
    Jeslek hatte erwähnt, dass sich die Schüler Prüfungen unterziehen müssten, nicht alle würde man aber als solche erkennen können. War der vergiftete Apfelwein eine Probe gewesen? Oder beabsichtigte wirklich jemand, ihn umzubringen? Aber warum? Er wusste doch noch fast nichts.
    Cerryl schüttelte den Kopf.

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