Die Weiße Ordnung
saß allein in einer Ecke, vertieft in irgendein Buch, und ein Schüler – Kochar – hatte sich an einem der größeren runden Tische niedergelassen. Kochar senkte den Blick auf die Tischplatte, als Cerryl den jüngeren, rothaarigen Schüler anschaute.
»Junger Cerryl!«, rief Esaak.
»Ja, Ser.« Cerryl drehte sich zur Seite und folgte dem Ruf des alten Magiers.
»Geh ruhig zum Essen. Ihr Jungen habt doch immer Hunger. Ich früher auch. Aber denk daran, ich verlange, dass du dich bis morgen intensiv mit der Berechnung von Querschnitten und von Wassermengen auseinandergesetzt hast.«
»Ja, Ser.«
»Gut.« Esaak machte eine abwinkende Handbewegung. »Geh essen.«
Cerryl beeilte sich, zur Anrichte zu kommen, und gerade als er dort anlangte, trat Bealtur durch die Tür. Cerryl füllte seinen Teller mit Hammelfleischscheiben, Zitronensahnesoße und hartem Brot, bediente sich am Obstkorb mit zwei Birnäpfeln als Ausgleich zu dem fetten Fleisch und der schweren Soße und stellte noch einen Humpen Bier auf sein Tablett. Damit bahnte er sich den Weg zu einem der leeren runden Tische aus polierter Weißeiche.
Bealtur hatte gewartet und währenddessen an seinem dunklen und spärlichen Spitzbart gezupft, bis Cerryl die Anrichte verlassen hatte.
Cerryl aß langsam und schweigend; seine Gedanken sprangen hin und her zwischen den Querschnittsaufgaben, die er noch nicht gelöst hatte, und seinen bislang erfolglosen Versuchen, das goldene Lanzenlicht in seine verschiedenfarbigen Bestandteile zu zerlegen, wobei die Strahlen danach aber noch so viel Energie enthalten mussten, um die verdreckten Steine zu bürsten.
Bealtur gesellte sich zu Kochar und die beiden unterhielten sich, jedoch so leise, dass die Stimmen nicht bis an Cerryls Ohr gelangten und ihn bei seinen Überlegungen bezüglich Chaos-Feuer und Licht nicht störten.
Versuchte man Licht zu ordnen, bedeutete das dann gleichzeitig, dass die Macht des Chaos in diesem Licht geschwächt wurde? Oder lag es an der Art, wie Cerryl versucht hatte, das Licht zu ordnen? Unwillkürlich musste Cerryl den Kopf schütteln. Wie oft waren ihm diese Fragen nun schon durch den Kopf gegangen? Und wie oft hatte er dort oder in den Farben der Weiße keine Antwort gefunden? Wie viele Antworten hatte er schon gesucht und nicht gefunden – angefangen beim Tod seines Onkels und seiner Tante? Denn den Tod – Cerryl war davon überzeugter denn je – hatten die beiden im Chaos-Feuer gefunden.
»Cerryl?« Faltar stand am Tisch.
Cerryl sah mit einem verlegenen Lächeln auf. »Entschuldige. Setz dich. Ich habe dich nicht bemerkt. Habe gerade über die Aufgaben nachgedacht, die ich bis morgen für Esaak lösen muss.«
Faltar ließ sich auf dem Hocker Cerryl gegenüber nieder, sein blondes Haar fiel ihm in die Stirn. »Immer denkst du über etwas nach.«
»Das stimmt wohl. Aber es gab eine Zeit, da … ach, das ist nicht wichtig.« Cerryl lächelte zuerst unsicher, dann grinste er. »Ist hier irgendetwas passiert, das ich wissen sollte?«
»Broka ist der Meinung, dass ich mich nicht gründlich genug mit den Knochen des Körpers beschäftigt hätte und Derka glaubt, dass meine Handschrift nicht gut genug ist für einen Magier. Ständig wirft er mir vor, dass keiner lesen könnte, was ich schreibe. Du kannst dich glücklich schätzen, du warst ein Schreiberlehrling.« Faltar biss in seinen Birnapfel und kaute emsig, dann blickte er auf die gelblich weiße Soße auf seinem Teller. »Hammel … schon wieder.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass meine Schreiberlehre noch einmal für etwas gut sein würde.« Cerryl nahm einen Schluck aus dem Humpen, einen ziemlich großen sogar, denn das half, die fettige Zitronensoße zu verdauen. »Heute ist das Essen noch fettreicher als sonst.«
»Du solltest besser Derkas Worten über das Schreiben lauschen«, sagte Faltar mürrisch. »Der Hammel ist immer fett.«
Cerryl sah Faltar an. »Ich habe Eliasar gesehen, kurz bevor ich hierher kam, er war behängt mit Waffen und sah recht glücklich damit aus.« Cerryl lachte leise. »Offensichtlich mag er seine Waffen. Aber ich frage mich, wo er wohl damit hinwollte.«
»Hast du es nicht gesehen?« Faltar trank von dem gelben Bier. »Sie stellen eine ganze Streitmacht von Weißen Lanzenreitern zusammen. Sie reiten nach Certis – Jellico, nach allem, was man so hört.«
»Von wem?«, fragte Cerryl ruhig. »Hier erzählt doch keiner dem anderen etwas. Und besonders uns nicht.«
Eine leuchtende Röte stieg
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