Die Weiße Ordnung
Schlitten jeweils um eine Viertelspanne näher zum Sägeblatt.
Cerryl zwinkerte. Ein rötlich weißes Glühen umgab die Schwärze des Sägeblattes – hatte er so etwas schon einmal gesehen? Direkt durch den schweren Stamm? Es kam ihm bekannt vor, aber an diesem Nachmittag schien das Glühen heller zu sein. Er kniff die Augen zusammen und beugte sich vor, seine Finger umklammerten fest die Bürste.
Wie konnte er etwas fühlen, das er nicht sah? Nicht im herkömmlichen Sinn jedenfalls. Das rotweiße Glühen existierte eindeutig; das gleiche Glühen, das er in den Minen gefühlt hatte, die selbst Syodor gemieden hatte; das gleiche Glühen, das – wenn auch weit schwächer – die Bücher seines Vaters umgab.
Er runzelte die Stirn. Wieder eine Frage, die ihm nicht aus dem Kopf ging. Warum hatte sein Onkel nie erwähnt, dass er Bergwerksmeister gewesen war? Cerryl hatte es nicht gewusst, bis Dylert davon gesprochen hatte.
Er betrachtete das Joch von allen Seiten und nickte. Sogar Brental würde damit zufrieden sein. Dann blickte er hinter sich zum Sägeblatt. Das Glühen schien heller zu werden, ein zorniger roter Farbton, eine Farbe, die er bisher noch nicht gesehen hatte.
Er bückte sich, um das Joch aufzuheben, das er zurück in den Stall tragen musste, aber seine Augen wanderten immer wieder zur Mühle, wo die rötliche Weiße, eine Farbe, die anscheinend außer ihm niemand sehen konnte, über dem dicken Stamm und dem Sägeblatt schwebte. Fast wirkte es, als würde die Weiße darauf warten, auf Brental und Dylert einzuschlagen. Er machte sich auf den Weg, blieb jedoch wieder stehen und sah zurück.
Cerryl presste die Lippen aufeinander, dann warf er Bürste und Joch zu Boden und lief zurück in die Mühle. Atemlos rannte er den Hauptgang entlang. Das Stampfen seiner schweren Stiefel versank im Lärm der kreischenden Säge und der schlagenden Mühlräder.
Dylert stand auf der Plattform rechts über der Säge und winkte ihn zurück.
Cerryl schüttelte heftig den Kopf und deutete auf das Sägeblatt.
Dylert wies ihn noch einmal ungehalten zurück.
»Bitte, Ser. Haltet die Säge an«, schrie Cerryl, aber seine Worte gingen im Getöse unter. Er deutete auf die Säge, fuchtelte mit den Armen wild in der Luft herum und versuchte, Dylert sein Anliegen begreiflich zu machen. Dann fiel sein Blick auf den Kupplungshebel auf der kleinen Plattform unter Dylert.
Bevor Cerryl auch nur zwei Schritte nach vorn getan hatte, hatte der Mühlenmeister sich schon zum Kupplungshebel gebückt und ihn heruntergedrückt.
Cerryl atmete tief durch, als das jammernde Kreischen der Säge erstarb und ein dumpfer Schlag durch die Mühle hallte.
Dylert wandte sich vom Hebel ab, kletterte zum Wasserwehr hinauf und schloss es, dann bremste er beide Wasserräder.
Brental sah von Cerryl zur Säge, wo sich das Sägeblatt in den großen Kiefernstamm gefressen hatte.
Viental machte nur ein böses Gesicht.
Der Sägemeister kletterte von seinem Podest herunter und ging zu Cerryl. »Nun … habe dich noch nie so rennen sehen, Junge. Ich hoffe, du hast eine Erklärung dafür. Eine gute Erklärung!« Schweißbäche liefen ihm übers Gesicht, Sägespäne pflasterten seine Wangen und verfingen sich im Bart. Er presste die Kiefer aufeinander und wartete.
Cerryl schluckte. »Ser … das Sägeblatt … etwas … etwas stimmt nicht damit.«
Nach einem Augenblick runzelte Dylert die Stirn. »Du hast das von draußen gesehen?«
»Gehört, Ser«, log Cerryl. »Es … es hat sich irgendwie falsch angehört. Ich weiß … Ihr seid der Sägemeister … aber ich musste es Euch einfach sagen.«
»Hmmmm. Er hört schon Gespenster«, grummelte Viental.
Brental warf dem stämmigen Arbeiter einen tadelnden Blick zu.
»Nun … jetzt steht ohnehin alles still. Dann sehen wir doch mal nach.« Dylert legte die Stirn in Falten. »Wenn wir einen Riss oder einen anderen Fehler finden«, er zog die Schultern hoch, »dann haben wir Glück gehabt. Wenn nicht«, er sah Cerryl an, »dann kommt eine Menge Arbeit auf dich zu, Junge. Bei der Dunkelheit, eine Menge Arbeit, um das wieder wettzumachen.«
»Ja, Ser.«
Dylert sah die anderen beiden an. »Müssen das Sägeblatt sowieso freilegen. Fangen wir gleich damit an.«
Cerryl trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie die drei Männer mühsam das Sägeblatt aus dem Stamm befreiten. Schweiß rann noch immer seinen Rücken hinunter.
»Ja, ja … er hat es gehört …«, murrte Viental mit einem Blick auf den
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