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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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du etwas älter bist. Ich habe sie vom Haus fern gehalten«, fügte der Bergmann hinzu. »Wusste, dass du sie spüren würdest.«
    »Hier ist auch ein warmer Wintermantel. Gehörte deinem Papa … habe ihn für dich aufgehoben, und ein Schal, der beste Schal deiner Mutter …« Nall schniefte. »Weiß schon, dass du den Schal nicht tragen kannst … aber ich wollte, dass du etwas hast, was ihr gehörte.« Ganz unvermittelt machte sie einen Schritt nach vorn und umarmte Cerryl. »Haben unser Bestes für dich getan … und für deine Mama.« Tränen liefen ihr übers Gesicht.
    Cerryl fühlte die Wahrheit ihrer Worte und schluckte schwer, auch er kämpfte mit den Tränen. »Das weiß ich. Ich werde euch immer dankbar dafür sein … immer.« Er schluckte erneut und erwiderte die Umarmung. Dabei spürte er, wie dünn und zerbrechlich sie geworden war.
    So plötzlich, wie sie ihn umarmt hatte, zog sich Nall mit zwei schnellen Schritten wieder zurück, schniefte und trocknete sich die Augen. »Ich muss mit Syodor gehen. Alles andere wäre nicht rechtens.«
    Syodor umfasste Cerryls Unterarme mit beiden Händen und drückte sie; so knorrig und krumm der einäugige Bergmann auch war, Cerryl fühlte seine Stärke ganz deutlich. »Du bist kein kräftiger Mann, kleiner Cerryl, aber du besitzt eine Stärke, die man nicht mit dem Auge sehen kann. Sei vorsichtig, dann wirst du deinen Weg schon machen.« Syodor lockerte den Griff und trat schnell zurück. »Wir sind stolz auf dich.« Nach einem Augenblick fügte er hinzu: »Wir müssen nun gehen. Haben morgen eine lange Reise vor uns.«
    »Passt auf euch auf … bitte …«, stammelte Cerryl. Er fühlte sich eigenartig taub, er wollte noch etwas sagen oder tun, doch er wusste nicht, was.
    »So gut wir können, Junge«, antwortete Syodor, »und du auch.«
    Nall schniefte und nickte. Die zwei drehten sich um und marschierten die Straße hinunter.
    Cerryl wäre ihnen am liebsten nachgelaufen, doch stattdessen stand er nur da und hielt den Stofftornister in der Hand, in welchen er den Spiegel und das Messer wieder sorgfältig eingepackt hatte. Er sah seiner Tante und dem Onkel nach, die zurück zur Hauptstraße und zu den Minen gingen und dann nach Vergren.
    »Cerryl? Was machst du hier …« Dylert hielt inne, als er die zwei Gestalten auf dem Weg zur Hauptstraße sah. »Ist das Syodor?«
    »Sie kamen, um sich zu verabschieden«, sagte Cerryl langsam. »Der Herzog hat ihm den Freibrief weggenommen und jetzt müssen sie die Minen verlassen. Nach all den Jahren …«
    »Wohin gehen sie?« Dylerts Stimme klang nun weicher.
    »Onkel Syodor hat einen Vetter in Vergren. Er wird dort Schafe hüten, sagt er.«
    »Traurige Geschichte«, bemerkte Dylert. »Der Bergwerksmeister von Lydiar … als Schafhirte muss er seine letzten Tage verbringen.«
    »Ich habe angeboten, ihm zu helfen.« Cerryl senkte den Blick. »Aber Onkel Syodor … hat darauf bestanden, dass ich hier bleibe.« Er sah den Sägemeister an. »Darf ich?«
    Dylert lachte traurig und schüttelte den Kopf. »Cerryl, du bist mehr wert, als ich dir zahle. Ich kann dir zwar nicht mehr Geld geben, aber bleiben kannst du, Bursche.« Sein Blick wanderte noch einmal zu den zwei Gestalten auf der Straße. »Bei der Dunkelheit, das soll einer verstehen. Je älter ich werde, desto seltsamer kommt mir alles vor. Bergwerksmeister, der Beste, den es je gab, und nun muss er Schafe hüten.« Der Sägemeister schüttelte noch einmal den Kopf.
    Cerryl schluckte und sah den beiden nach. Dylert war schon lange gegangen, als Syodor und Nah am staubigen Horizont verschwanden, verschlungen von den schnellen Schatten der Wolken.

 
XVI
     
    Ü ber Generationen hinweg stand der Schwarze Turm auf den Höhen der Westhörner, dämonische Kriegerinnen samt Klingen spuckte er aus. Sie beherrschten den Handel und befestigten mit dem Blut jener, die ihr Missfallen erregten, ihre Straßen aus Stein.
    Sie duldeten keine Männer auf ihren Gipfeln, die stark genug waren zum Überleben, sie ließen sie fallen wie die leeren Hülsen der Feldfrüchte, sobald sie die Samen aus ihnen gepresst hatten …
    Trotz all dieser Niederträchtigkeiten hatte Westwind Bestand und es blühte bis zu dem Tag, an dem die Gilde von Fairhaven einen Helden nach Westwind schickte, einen Fremden, der die Marschallin der Berge mit seinen Liedern betörte. Als Sohn und Tochter geboren waren, lachte die Marschallin und vertrieb den Helden. Und in all ihrer Bosheit ließ sie ihn auf den

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