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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Tornister. Nall stand mit leeren Händen neben ihm. Beide wirkten niedergeschlagen und schienen kleiner als in Cerryls Erinnerung.
    »Du bist gewachsen.« Nall fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen.
    »Meine Füße in jedem Fall.« Cerryl lächelte.
    Weder Syodor noch Nall erwiderten das Lächeln.
    »Was … was ist los?« Cerryls Blick blieb an seinem Onkel haften.
    »Die Dinge standen schon besser, Junge. Ja, in der Tat.« Syodor sah zu Boden und schwieg einige Sekunden. »Der Herzog … er sagte, mein Freibrief … ich kann nicht länger in den Minen schürfen.«
    »Das tut mir Leid.« Cerryl nickte und setzte eine ernste Miene auf. Er wusste, dass seine Worte nur wenig Trost spendeten. »Wirklich. Ich wünschte, ich könnte etwas für euch tun.« Selbst während er sprach und dabei gleichzeitig das Unbehagen seiner Tante und seines Onkels spürte, fragte er sich, warum sich Syodors Worte falsch anfühlten. Sein Onkel hatte sich doch schon oft wegen des Freibriefes Sorgen gemacht.
    »Das Beste, was du tun kannst, Kind«, sagte Nall, »ist, für dich selbst zu sorgen.«
    »Du hast ein Zuhause, Cerryl. Ein besseres können wir dir nicht mehr bieten.« Syodor schlug den Blick erneut nieder auf den Steinpfad. »Dylert ist ein guter Mann.«
    »Ich weiß, Onkel … Aber was ist mit euch? Wo werdet ihr hingehen?« Cerryl schluckte. Er hatte nie damit gerechnet, dass er Syodor und Nall eines Tages nicht mehr im Haus bei den alten Minen vorfinden würde.
    »Mach dir um uns keine Sorgen«, riet ihm Nall. »Auch wir machen uns keine mehr, Kind. Außerdem haben wir schon ein neues Zuhause.«
    Cerryl sah wieder seinen Onkel an.
    »Habe einen Vetter in Vergren«, sagte Syodor mit flacher Stimme. »Schafland. Er hat noch eine Kate frei. Sie ist zwar klein und muss ein wenig hergerichtet werden, aber wir können darin wohnen. Habe sogar seinen Maultierwagen ausleihen dürfen. Damit können wir fast unseren gesamten Hausstand mitnehmen.«
    »Gibt es denn nichts anderes … keinen anderen Ort?«
    »Was brauchen wir sonst, Junge? Die Minen sind für mich gestorben. Schon vor langer Zeit sind sie das. Wollte es nur nicht wahrhaben.«
    Syodors Stimme klang rau, wie Cerryl erst jetzt bemerkte. »Es tut mir Leid. Wisst Ihr schon, wo genau Ihr wohnen werdet?«
    »Wir fahren morgen«, sagte Nall. »Im Morgengrauen. Syodors Vetter heißt Gerhar. Sein Land liegt an der alten Nordstraße hinter dem zweiten Hügel. In Vergren.«
    »Morgen?«
    »Der Herzog gab uns nur vier Achttage Zeit und die brauchten wir schon, um Gerhar zu finden.« Syodor zwang sich zu einem bitteren Lächeln, aber es erreichte sein verbliebenes Auge nicht. »Wir haben Glück, dass Gerhar nur eine Tochter hat und Hilfe gebrauchen kann.«
    Cerryl schüttelte den Kopf. »Vielleicht sollte ich mitkommen …«
    »Nein.« Syodors Stimme klang so streng wie nie zuvor. »Du bleibst besser hier bei Dylert. Hier hast du wenigstens Arbeit. Wenn dich jemand fragt, sagst du, dass du ein Waisenjunge bist und dass deine Eltern aus Montgren stammen, aus der Nähe von Vergren.« Er lachte kurz. »Stimmt jetzt ja auch.«
    Cerryl befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen.
    »Wir haben dir etwas mitgebracht«, sagte Nall nach einem weiteren Augenblick des Schweigens.
    Syodor öffnete seinen Tornister. »Der Tornister gehört auch dir, Cerryl. Früher oder später wirst du ihn ohnehin brauchen.« Er holte etwas heraus. Es glühte weiß in seiner Hand, das Licht ähnelte auf gewisse Weise dem Sonnenlicht und doch wieder nicht. »Das gehörte deinem Papa«, erzählte der Bergmann mit rauer Stimme und hielt Cerryl ein kleines Messer in einer Scheide hin. Messer und Scheide waren klein wie Spielzeuge, so klein, dass sie genau in Cerryls Handfläche passten. »Das auch«, fügte Syodor hinzu und legte einen Spiegel mit Silberrahmen – ein Spähglas – neben das Messer.
    Cerryl starrte auf die Gegenstände in seiner Hand und dann zu Nall.
    Ihre Blicke trafen sich. »Niemand kann leugnen, wer oder was er ist. Dein Papa hätte kein anderer sein können. Und du kannst es auch nicht, Cerryl. Er spielte schon mit dem Licht herum, noch bevor er richtig sprechen konnte, hat deine Mutter erzählt. Zu jung, sagte sie.« Nall zuckte mit den Schultern. »Du bist schon ein wenig älter. Ich habe dich mit dem Glas und dem Weißen Feuer gesehen. Habe versucht, dich vor einem zu frühen Feuertod zu bewahren.«
    Syodor nickte. »Na ja, wir dachten … wir wollten, dass du die Sachen bekommst, wenn

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