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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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sind wichtig für eine feine Dame.«
    »Ich wette, du beherrschst sie noch nicht gut genug, um sie mir beizubringen.«
    »Warum willst du die Buchstaben lernen? Du wirst doch sowieso dein Leben lang nur in der Mühle arbeiten.«
    »Siehst du?«, meinte Cerryl grinsend. »Du kannst es nicht.«
    »Kann ich doch.«
    »Dann beweis es.« Cerryl sah sie ungläubig an.
    »Ich muss dir doch nichts beweisen«, entgegnete Erhana von oben herab.
    »Das musst du nicht, das stimmt«, sagte Cerryl und grinste wieder.
    »Du würdest es ohnehin nicht lernen.«
    »Das weißt du doch gar nicht, nicht so lange du es nicht versucht hast und ich es wirklich nicht schaffe.« Cerryl lächelte. »Das könnte dann natürlich auch bedeuten, dass du nicht klug genug bist, um es mir beizubringen. Dein Vater, er sagte …« Cerryl brach den Satz ab.
    »Er sagte was?« Erhanas Stimme wurde schnippisch.
    »Nichts … nichts.«
    »Du bist nichts anderes als eine kleine Mühlenratte, Cerryl.«
    Cerryl zuckte mit den Schultern und zwang sich dazu, keine Gefühlsregung zu zeigen. »Wenn du deine Buchstaben wirklich beherrschen würdest, könntest du sie auch einer kleinen Mühlenratte beibringen. Du nennst mich nur so, weil du es nicht kannst.«
    »Cerryl … du bist …« Erhana wusste nicht mehr weiter. »Du bist …«
    Er stand auf. »Wenn du so gut bist, dann kannst du mir auch die Buchstaben beibringen. Ich werde hier jeden Abend nach dem Essen auf dich warten.«
    »Ich muss dir gar nichts beibringen.«
    Cerryl zwang sich zu einem Lächeln, dann drehte er sich um und ging zu seiner Kammer.
    »Cerryl …«
    Er drehte sich nicht mehr um.

 
XII
     
    C erryl rieb sich die Stirn, um den dumpfen Schmerz, tief drinnen in seinem Schädel, wegzumassieren. Aber es half nicht und so schichtete er weiter die Bodenbretter auf. Immer zehn auf einen Stapel, wie Brental es ihm aufgetragen hatte – ein Dutzend Stapel zu je zehn Bretter.
    Er hielt inne und sein Blick wanderte hinaus zur halb offenen Mühlentür und zum Dauerregen, der seit zwei Tagen aus dem grauen Himmel fiel. Er sah wieder auf seine spannbreiten Bretter und Tränen stiegen ihm in die Augen. Mit einem Seufzer zählte er den letzten Stapel nach. Zehn.
    Warum bereitete ihm der Dauerregen solche Kopfschmerzen? Syodor hatte gesagt, dass alle Weißen Magier davon betroffen wären. Er konnte in Spiegelscherben Bilder sehen – Orte wie Fairhaven, die Weiße Stadt, und sogar die Kühe auf der unteren Weide. Bedeutete dies, dass er ein Magier war – oder dass er einer werden könnte? Oder dass die Magier ihn umbringen würden, wie sie es mit seinem Vater gemacht hatten, wenn sie ihn fänden?
    Er hatte zwar erst wenige Stunden mit Erhana und ihrem Schulbuch verbracht, aber er konnte bereits einige Buchstaben in seinen Büchern erkennen, und das, obwohl die Schrift verschnörkelter und kunstvoller war als in ihrem Buch. Er vermochte schon eine Hand voll Wörter zu entziffern, was jedoch zum Lesen nicht reichte … noch nicht.
    Seine Finger wanderten zu seiner Börse am Gürtel und legten sich um das Amulett – war es ein solches? –, das Syodor ihm gegeben hatte. Hatte es seinem Vater gehört? Oder hatte er es gestohlen?
    »… vor der Sonnenwende wird Dorban kommen, um die gelagerten Eichenbretter zu holen – die großen Bohlen für die Schiffswerft …« Gut dreißig Ellen entfernt vernahm Cerryl Dylerts Stimme.
    »Er beschwert sich jedesmal«, sagte Brental, »aber er kommt immer wieder.«
    Cerryl drehte sich nicht um. Er wusste schon seit Jahren, dass sein Hörvermögen besser war als das der anderen. Er hatte auch gelernt, dass er am meisten erfuhr, wenn er sich nicht anmerken ließ, dass er lauschte.
    »Er hofft, dass wir mit dem Preis runtergehen, wenn er nur lange genug jammert …«
    Cerryl lauschte weiter und fing mit dem dritten Stapel an.
    »Ooooh.« Er riss die Hand weg und zog den Splitter heraus. Auch wenn er immer sehr vorsichtig arbeitete, hatte das Holz doch Splitter und einige davon waren scharf genug, um ihn tief ins Fleisch zu schneiden, wenn er nicht aufpasste oder seine Gedanken woanders waren – wie eben gerade.
    Cerryl schüttelte den Kopf. Hatte Erhana Recht gehabt? Würde er den Rest seines Lebens in der Mühle verbringen müssen, wie Rinfur?
    Er presste die Lippen aufeinander und richtete die Augen und seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf die Holzbretter.
    Dylert und Brental standen nun näher an der großen Säge und unterhielten sich, aber Cerryl hörte ihnen nicht

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